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0655 - Der Tod in Moskau

0655 - Der Tod in Moskau

Titel: 0655 - Der Tod in Moskau
Autoren: Werner Kurt Giesa
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waren, hätte er gar nicht wieder emporklettern können, und eine Motorwinde, die ihn gezogen hätte, gab es nicht; sie aufzustellen, hätte Spuren hinterlassen.
    Zwar schaut nicht jeder gleich nach oben, wenn jemand unten vor ihm liegt. Aber ein paar Menschen hatten gesehen, wie die Zeugin Karelina entsetzt an der Hauswand emporgeschaut hatte. Und diese Beobachter hatten dort nichts bemerkt. Zumindest nicht das, was Nadja Karelina gesehen haben wollte.
    Und die konnte sich plötzlich an gar nichts mehr erinnern. Der Mann habe plötzlich vor ihr auf dem Boden gelegen.
    Kein Schrei, keine Schüsse, kein Mann mit Totenschädel an der Wand.
    Das fand Kommissar Ratekin doch etwas eigenartig.
    Aber es blieb ihm nichts übrig, als zu glauben, daß die unter Schock stehende Zeugin einer Halluzination erlegen war und jetzt alles, was damit zusammenhing, verdrängte, um sich selbst vor dem Grauen zu schützen.
    Was ihm selbst bei der Aufklärung des Falles nicht weiterhalf.
    ***
    Igor Gorsskij faltete die Moskowski komsomolez wieder zusammen, mit 1,57 Millionen Exemplaren Rußlands größte Tageszeitung noch vor der Prawda. Ein Fahrgast hatte die Zeitung im Wagen zurückgelassen, und Igor nutzte die Wartezeit, um ein wenig zu blättern und zu lesen.
    Ein Artikel hatte ihn besonders interessiert; ein Hotelgast, der offenbar zur Mafia gehörte, war gestern am sehr späten Abend unter sehr mysteriösen Umständen aus dem Fenster seines Hotels gefallen. Für Igor hatte dieses Ereignis lediglich Bedeutung, weil er diesen Fedoroff einige Male chauffiert hatte. Allerdings ohne zu ahnen, was es mit diesem Mann auf sich hatte. Und nur wenige Minuten vor dem Ereignis hatte er sich mit seinem Taxi selbst vor dem Hotel befunden, um andere Gäste abzusetzen.
    Igor Gorsskij fuhr seit über zwanzig Jahren Taxi in Moskau. Erst mit einem alten Wolga, seit ein paar Jahren mit einem auch nicht gerade neuen Mercedes, den er vor etwa sechs Jahren einem ehemals in der DDR stationierten Soldaten abgekauft hatte. Woher dieser Soldat den Wagen hatte, fragte Igor vorsichtshalber nicht. Er nahm zwar an, daß der Wagen gestohlen worden war und der Heimkehrer sich damit seinen Sold etwas hatte aufbessern wollen - schon damals war die Regierung praktisch zahlungsunfähig aber solange er es nicht definitiv und offiziell wußte, konnte er sein Gewissen beruhigen.
    Jetzt hoffte er, daß niemand sich daran erinnerte, daß er den Toten mehrfach gefahren und auch in der Todesnacht am Hotel gewesen war; Befragungen durch die Polizei brachten immer eine Menge Ärger mit sich. Auch wenn er selbst nichts zu befürchten hatte - das alles kostete Zeit, und Zeit ist auch in Moskau Geld. Vor allem für Taxifahrer.
    Über Funk war gerade ein Auftrag gekommen. Igor startete den Wagen und fuhr los. Es war später Abend; er konnte schnell und zügig fahren.
    Plötzlich riß jemand die Fahrertür auf!
    Während der Fahrt!
    Noch ehe Igor begriff, was da geschah, noch ehe er sich fragen konnte, wie das überhaupt möglich war, packte ihn eine Hand und riß ihn aus dem Auto. Er sah eine Gestalt im roten Mantel, die auf dem Dach seines Taxis lag und nach unten griff. Mit unwahrscheinlicher Kraft schleuderte diese Gestalt Igor durch die Luft. Er sah eine Skelettfratze, sah unter sich die Motorhaube des immer noch schnell fahrenden Mercedes und dann die Straße unter sich, auf die er niederstürzte.
    Das nächste, das er wahrnahm, war sein auf ihn zurasender eigener Wagen.
    Und dann war da nichts mehr.
    Sekunden später schleuderte das Taxi quer über die Straße und knallte frontal gegen eine Hauswand. Ein anderer Autofahrer behauptete, dabei gesehen zu haben, wie jemand vom Wagendach rutschte, aufsprang und verschwand - auf eine Weise, die unerklärlich blieb. Diese Person solle wie ein Skelett ausgesehen haben…
    ***
    »Das ist völliger Unsinn, Ratekin«, erklärte der Staatsanwalt. »Sie erwarten doch nicht wirklich, daß ich diese haarsträubende Geschichte glaube? Ein Skelett auf dem Autodach, ein Skelett an der Hotelfassade… Sie hätten lieber prüfen lassen sollen, ob die jeweiligen Zeugen nicht unter Alkohol- oder Drogeneinfluß standen. Haben Sie darüber eigentlich schon mal nachgedacht?«
    »Ich denke sogar über noch ganz andere Dinge nach«, knurrte der Kommissar. »Zum Beispiel, aus welchem Grund sich der Geheimdienst für diese Fälle interessiert!«
    »Geheimdienst?« Staatsanwalt Markovic runzelte die Stirn. »Was soll das denn nun wieder,
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