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0643 - Schlangenträume

0643 - Schlangenträume

Titel: 0643 - Schlangenträume
Autoren: Werner Kurt Giesa
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los?« wiederholte Alice ihre Frage.
    Ghoyashar antwortete immer noch nicht. Er brachte den Truck am Highwayrand zum Stehen, arretierte die Feststellbremse und schaltete den Motor aus. Der 450 PS starke Caterpillar-Diesel schüttelte sich gewaltig und kam zur Ruhe.
    Vorsichtig, ganz vorsichtig streckte Ghoyashar die Hand aus und berührte Alice am Arm. Er spürte ihre nackte Haut. Atmete wieder tief durch.
    »Willst du etwa schon wieder?« fragte sie. »Hier auf der Straße?«
    Er schüttelte nur langsam den Kopf.
    Wieso hatte er eben eine Kobra gesehen, die ihn anzischte?
    Er konnte darüber nicht mit Alice reden.
    Sie würde ihn für verrückt halten.
    Sicher nicht ganz zu unrecht. Er zweifelte ja selbst an seinem Verstand.
    Aber er hatte das verdammte Biest doch gesehen!
    »Was ist denn nun?« fragte Alice erneut.
    Er sah sie an. Dachte nach.
    Was eben mit ihm passiert war, konnte sich wiederholen. Und vielleicht ging es dann nicht so glimpflich ab wie jetzt. Bei höherer Verkehrsdichte oder einer Kurve hätte es wirklich zu einem Unfall kommen können.
    Solange er nicht sicher sagen konnte, was die Halluzination erzeugt hatte, war es besser, wenn er allein blieb. Potentielle Schadensbegrenzung. Daß er mit anderen Fahrzeugen kollidierte, war vielleicht in solchen Schrecksekunden nicht zu vermeiden. Aber wenn er allein im Truck war, wurde zumindest nicht noch eine weitere Person gefährdet. Alice mußte aussteigen. Eine Person weniger, der etwas passieren konnte.
    »Tut mir wirklich leid«, sagte er. »Aber du mußt aussteigen.«
    »Bist du verrückt, Mann?« stieß sie hervor. »Hier, mitten auf freier Strecke? Wie soll ich von hier wegkommen? Kein Schwein wird stoppen! Jeder weiß, daß das Anhalten auf dem Highway verboten ist. Und überhaupt, was ist denn nun los? Wieso schmeißt du mich ‘raus? Habe ich dir was getan?«
    »Nein. Aber es ist sicherer für dich. Vielleicht passiert so was noch einmal, und dann möchte ich dich nicht gefährden.«
    »Was passiert noch einmal? Dieses wilde Geschaukel? Liegt’s am Truck oder an dir?«
    »An mir«, murmelte er. »Deshalb steig lieber jetzt aus.«
    »Und wie stellst du dir die Sache weiter vor? Niemand wird anhalten. Floridas Highway-Polizei ist streng und überall. Soll ich die nächsten paar Dutzend Meilen zu Fuß gehen?«
    »Dir wird schon etwas einfallen.«
    »Klar. Ich kann mich ja splitternackt an den Straßenrand stellen.«
    »Wäre ein origineller Einfall. Dann hält garantiert jeder.«
    »Du bist ein Scheusal, und du bist verrückt«, fauchte Alice.
    »Vielleicht bin ich das wirklich«, murmelte er. »Aber der Einfall kam doch von dir!«
    Er zwängte sich zwischen den Sitzen durch in die Schlafkabine des Trucks, wollte Alices Reisetasche herausholen.
    Aber auf der Schlafpritsche hockte ein ausgewachsener Tiger und fauchte Ghoyashar hungrig an!
    ***
    Oh nein , dachte Deputy Jeremy Moss. Oh nein, nein, nein!
    General Lee raste auf ihn zu.
    Wurde immer größer. Immer bedrohlicher.
    Und der verdammte Ford LTD sprang nicht an!
    Die Karre orgelte und orgelte. Der Motor kam nicht. »Bullshit!« brüllte Moss und hieb mit der Faust auf das Lenkrad.
    Als hätte es dieser Gewaltanwendung bedurft, sprang der Motor endlich an. Gleichzeitig aber jaulte die Polizeisirene los - die Hupe war noch auf »Einsatz« statt auf »normal« geschaltet.
    Ein Hieb mit der flachen Hand brachte den Schalter des Automatikgetriebes in die Vorwärts-Stellung. Der Ford machte einen Satz nach vorn, als Moss das Gaspedal durchtrat. General Lee machte im gleichen Moment eine Ausweichbewegung - genau in die Richtung, in die Moss durchstartete.
    Er schaffte es um Haaresbreite, der Kollision zu entgehen.
    Es gab gerade noch einen leichten Ruck an der hinteren Stoßstange.
    Deputy Moss stoppte wieder. Leerlauf, Handbremse, und ‘raus aus dem Wagen. Zornbebend stapfte er auf General Lee zu, der endlich ebenfalls zum Stehen gekommen war.
    Es handelte sich um einen Kenworth-Truck, dessen Kühlermaske als Südstaaten-Flagge gestaltet war; die Fahne der gegen die Union rebellierenden Sklavenhalterstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861-1865. Moss erreichte den Truck, wollte die Fahrertür im gleichen Moment aufreißen, als sie von innen aufgestoßen wurde.
    »Kamikaze-Kitty!« brüllte der Deputy wütend. »Daß du die Rebellenflagge vor dir her fährst, berechtigt dich noch lange nicht dazu, einen Yankee-Polizeiwagen zu verschrotten, verdammt noch mal! Der Krieg ist seit hundertdreißig
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