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0610 - Die Macht der Schlange

0610 - Die Macht der Schlange

Titel: 0610 - Die Macht der Schlange
Autoren: Werner Kurt Giesa
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identifizieren. Aber es schien bei Sockel, Drachenschlange und Schädel identisch zu sein, obgleich jedes Objekt eine andere Farbe hatte. Die Schlange selbst wies sogar unterschiedliche Farbschattierungen auf. Aber es war keine Bemalung.
    »Verrückt…«, murmelte Franco.
    Er drehte die Figur zwischen den Fingern, betrachtete sie von allen Seiten. Sie war einfach perfekt. Es gab keine Kratzer, wo dem Künstler vielleicht einmal das Schnitzmesser ausgerutscht war. Alles war sauber gefertigt, und Franco hatte den Eindruck, daß die Figur jederzeit zum Leben erwachen könnte. Und wie filigran die Zähne in dem kleinen Rachen gearbeitet waren!
    Konnte jemand überhaupt so perfekt schnitzen und formen?
    Mit Metall ließ sich so arbeiten, aber das Material fühlte sich nicht wie Metall an, klang auch nicht metallisch, wenn man dagegen klopfte.
    Franco strich nun darüber - und zuckte zusammen, weil er sich die Fingerkuppe an den Zähnen angeritzt hatte!
    Ein winziger Tropfen Blut trat aus.
    Franco runzelte die Stirn. Er konzentrierte sich auf den Finger - und schloß die kleine Wunde mittels seiner Magie wieder.
    Dann sah er wieder auf die Schlange. Für einen Moment glaubte er es in ihren Augen rötlich aufglühen zu sehen!
    Aber… das war wohl eine Täuschung.
    Nun endlich suchte Franco in seiner Sammlung aus allerlei Horror-Kleinkram einen würdigen Platz für den Neuzugang. Er fand ihn schließlich neben dem Modell einer Spielzeug-Guillotine, die in den 70er Jahren kurzzeitig reißenden Absatz gefunden hatte, weil man damit eigens präparierte Figuren stilecht hatte ›köpfen‹ können. Mit roter Flüssigkeit, Marmelade oder Tomatenmark befüllt, ›bluteten‹ sie sogar, und wenn man den Kopf wieder auf den Rumpf drückte, war das Figürchen bereit zur nächsten Hinrichtung.
    Erfreulicherweise hatten Jugendschützer diese Guillotine alsbald aus dem Verkehr gezogen, aber noch erfreulicher fand Franco, daß es ihm gelungen war, doch noch an eine dieser Raritäten zu gelangen. Nicht, um sich an dem makabren Spiel zu ergötzen, sondern allein der Kuriosität wegen.
    Dany kam ins Zimmer zurück, und sie sah, welchen Platz ihr Geschenk gefunden hatte.
    »Scheußlichkeit zu Scheußlichkeit«, kommentierte sie.
    »Daß du das aushältst, mit so viel kleinen Bösartigkeiten und Widerwärtigkeiten zusammen in einer Wohnung zu hausen…«
    »Einfachere Gemüter sammeln Briefmarken, Bierdeckel oder Strafmandate für Falschparken und gehen an der dunklen Seite dieser Welt achtlos vorbei. Dabei kann sie so faszinierend sein, und es ist so leicht, sie zu beherrschen.«
    Sie verteilte den Rest aus der Weinflasche gerecht in beide Gläser und setzte sich wieder zu ihm. »Auf die hellen Seiten des Lebens!«
    Sie tranken sich zu. Franco umarmte sie wieder.
    »Bleibst du bis zum Frühstück hier?«
    »Sicher. Sofern du das Frühstücksei nicht mit der Mini- Guillotine köpfst.«
    »Das wäre ein Sakrileg.«
    Sie schmiegte sich wieder an ihn und genoß seine Zärtlichkeiten. Viel, viel später schliefen sie endlich in inniger Umarmung ein.
    ***
    Mary-Ann Cantor hatte es sich vor dem Fernseher bequem gemacht und ließ sich von der Talk-Show berieseln. Danach eine Sitcom, noch eine Sitcom, die dreizehnte Wiederholung einer Comedy-Folge und schließlich ein Horror-Film, der als Science Fiction deklariert war, damit aber herzlich wenig zu tun hatte. Das spannendste waren immer noch die Werbe-Unterbrechungen.
    Eigentlich hatte Mary-Ann vorgehabt, später, nach dem Film, noch ein wenig auszugehen. Aber dann fühlte sie sich im Fernsehsessel doch recht wohl, und nur einmal dachte sie ganz kurz an diese verflixte Schlangenskulptur, die noch auf dem Schuhschrank stand. Und ehe Mary-Ann es merkte, war sie vor dem laufenden Fernseher eingeschlafen.
    ***
    Carlos Martinez, der junge Mann, der die Schlangenfigur von dem Trödler in der deSoto Road geschenkt bekommen hatte, fühlte ein leichtes Unbehagen. Jedesmal dann, wenn er die Figur betrachtete.
    Vielleicht lag es ja daran, daß es das erste Mal war, seit er in Florida lebte, daß ihm jemand etwas geschenkt hatte.
    Er hatte Kuba nicht ungern verlassen. Die Wirtschaftskrise, in die Fidel Castro durch seine permanente Regentschaft und sein Festhalten an einem nichtfunktionierenden Kommunismus ›sein‹ Land gestürzt hatte, sorgte dafür, daß es auf der Insel einfach kein Weiterkommen gab.
    Unterstützt von seiner US-amerikanischen Mutter, die sich längst wieder hatte scheiden lassen und in
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