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0610 - Die Macht der Schlange

0610 - Die Macht der Schlange

Titel: 0610 - Die Macht der Schlange
Autoren: Werner Kurt Giesa
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einem scheußlichen Dialekt, vermischt mit für Dany unverständlichen Wörtern, daß es sich um eine exklusive Handarbeit aus seiner indischen Heimat handele, daß nur dieses eine Stück existiere. Und dann - daß er es ihr schenken wolle!
    »Schenken? Aber wieso?« stieß Dany überrascht hervor.
    »Du bist schöne Frau«, kicherte der Turbanträger. »Sehr, sehr schöne Frau. Das hier ist Bestie. Die Schöne und das Biest - ihr gehört zusammen. Du verstehst?«
    Sie lachte auf. »Ich will diese Schlange nicht für mich. Ich will sie einem Freund schenken.«
    »Und ich schenke dir.«
    »He, ich will sie kaufen!« Irgendwie hatte sie plötzlich ein ungutes Gefühl bei der Sache.
    »Nix kaufen. Ich schenke. Da, schöne Frau, nimm!«
    Er drängte ihr die Figur regelrecht auf, und schließlich gab sie nach und ließ das Stück in ihrer Umhängetasche verschwinden.
    Aber trotzdem fischte sie noch ein paar Dollarscheine aus dem Brustbeutel unter ihrem T-Shirt; der Inder wollte das Geld jedoch nicht entgegennehmen.
    »Ist Geschenk, bleibt Geschenk«, versicherte er. »Für Dollars lieber Schlangenfutter kaufen.« Und dabei grinste er von einem Ohr zum anderen.
    Sie grinste etwas unbehaglich zurück.
    »Womit füttert man denn so eine Figur?« wollte sie spöttisch wissen.
    Er zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht genau. Schlange immer Hunger. Worauf? Vielleicht - auf Menschen?«
    Sie seufzte. »Aber die verkaufen Sie nicht zufällig auch?«
    Abwehrend hob er beide Hände.
    »Ich doch nicht, schöne Frau! Aber doch nicht ich!«
    Sie lächelte ihm noch einmal zu und setzte dann ihren Weg durch die Menschenmenge fort, ging von Stand zu Stand, von Angebot zu Angebot.
    Als sie außer Sicht war, griff der Inder in eine Kiste unter seinem Stand und holte eine weitere exklusive Handarbeit aus seiner indischen Heimat hervor, von der nur dieses eine Stück existierte. Er plazierte die Zwillingsausgabe jener schädelgefäßumringelnden Drachenschlange vor sich auf dem kleinen Tisch zwischen all den anderen Artefakten…
    ***
    Helen O’Rowe sah den kleinen Laden zum ersten Mal, dabei ging sie jeden Tag hier spazieren. Und gestern war er noch nicht dagewesen.
    Das gab es doch nicht, daß jemand so rasend schnell ein Geschäft einrichtete und eröffnete? Zudem sah der Laden auch nicht danach aus, als sei er neu.
    Von dem Schild über der Tür blätterte bereits die Farbe ab, und die Türklinke war recht abgegriffen.
    Helen überlegte angestrengt. Natürlich war hier schon immer ein Laden gewesen. Aber - bei allen Heiligen des grünen Irlands! - sie konnte sich nicht erinnern, was das für ein Laden gewesen war!
    Dabei lebte sie nun schon seit über sechzig Jahren in Sarasota, und seit bestimmt schon vierzig Jahren machte sie täglich einen Spaziergang durch die deSoto Road, benannt nach jenem spanischen Conquistador, dessen hervorstechendste Eigenschaft das Massakrieren von Indianern gewesen war.
    Helen O’Rowe gehörte nicht zu den Rentnern, die aus allen Teilen der USA nach Florida kamen, um mit ihren Wohnmobilen das Land zu überschwemmen und die Sonne zu genießen. Nein, sie war hier als Tochter irischer Einwanderer geboren worden und aufgewachsen.
    Und dieser Laden hier, den gab es hier seit vielleicht zwei Jahrzehnten, aber wieso kam sie nicht darauf, wer ihn bis gestern geführt hatte?
    Ganz bestimmt kein Trödler.
    ›World Arts‹, stand auf dem Schild, das einen ebenso alten Eindruck machte wie die Auslagen im Schaufenster. Lampen, Dolche, Figuren, Bildbände, Amulette, Schmuckstücke - kopfschüttelnd entschloß sich Helen, einfach mal einzutreten.
    Die Türglocke bimmelte.
    Nichts regte sich.
    Helen sah sich um. Und sie schauderte, als sie eine Figur sah, eine Art Drachenschlange, die sich um einen miniaturisierten, geöffneten Schädel ringelte.
    Wer stellt sich nur so etwas Scheußliches ins Zimmer? fragte sie sich. So was kann man doch nur an seinen größten Feind verschenken.
    Von dem verflixten Ding bekommt man ja Alpträume!
    Sie sah sich weiter im Laden um. Alles war ein einziges heilloses Chaos, und obgleich es nur ein kleiner Raum war, hatte Helen Mühe, die Ladentheke mit der Kasse zu finden. Im ersten Moment hielt sie die vorsintflutliche Registrierkasse sogar ebenfalls für ein Verkaufsstück.
    Und Staub mußte auch mal gewischt werden. Das einzige Teil, das nicht zugestaubt war, war diese verrückte Alptraum-Skulptur.
    Plötzlich tauchte der Inder auf. Wie ein Kastenteufel.
    Zumindest sah er aus wie ein
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