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061 - Im Reich der Tausend

061 - Im Reich der Tausend

Titel: 061 - Im Reich der Tausend
Autoren: Ronald M. Hahn
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belästigen, wenn die Anzahl der faschistischen Okkupanten und ihre militärische Stärke exakt feststanden.
    Auch wenn Nikolaai nicht genau wusste, was faschistische Okkupanten waren: Er hatte sich die Mühe gemacht, jeden einzelnen Fremdling auf einem Stück Papier genau zu beschreiben - auch die beiden, die man gerade, dem äußeren Anschein nach besinnungslos aus dem Panzer getragen hatte, der vor das Bibloteeksportal gefahren war. Nikolaai freute sich, dass auch der Panzer hier war, der sich zu Anfang von den anderen entfernt hatte, denn was man im Auge hatte, konnte anderswo keinen Schaden anrichten.
    Späher Aljooscha hatte, um der Anweisung Lejtenant Iwaans Genüge zu tun, exakte Zeichnungen der fremden Snoo-Mobile angefertigt. Nikolaai war sogar verwegen genug gewesen, sich noch einmal auf den Hof zu schleichen und sich jedes Wort einzuprägen, das die Fremden gesprochen hatten. Leider hatte er die meisten Wörter auf dem langen Rückweg zum Stadthaus vergessen, aber zwei konnte er auswendig.
    Vermutlich, dachte er, während sie durch den Schnee stapften, darf ich meine Beobachtung dem Zaren persönlich vortragen! Dies hatte Tradition, zumindest dann, wenn die Nachrichten schlecht waren. Nikolaai freute sich sehr darauf, den Zaren und seine Familie kennenzulernen, die traditionsgemäß - und aus Mangel an sonstigen Bes chäftigungen - an allen Empfängen teilnahmen. Bald würde Nikolaai die Pracht des Adels schauen. Vielleicht fand er in den Gesichtszügen der edlen Männer und Frauen sogar etwas, das auf seinen wahren Vater hinwies. Er wusste aus der Pöbelschule, dass alle Menschen so genannte Bausteine im Bauch hatten. Die waren dafür zuständig, dass der Sohn seinem wahren Vater ähnlich sah - und nicht dem, der ihn aufgezogen hatte.
    Nikolaai und seine Mannen hatten den Weg zum Stadthaus schon fast hinter sich, als sie vor der Treppe, die in den Baanhof hinab führte, auf den Kadaver eines Weißen Brüllers stießen. Jemand hatte ihm die Brust aufgerissen.
    Aljooscha meinte, er müsse den Jägern des Zaren zum Opfer gefallen sein, auch wenn er die Jagdmethode für ungewöhnlich hielt.
    »Aber wo sind sie, die Jäger?«, erwiderte Nikolaai und schaute sich suchend um. »Ich kann sie nirgendwo entdecken. Warum haben sie ihn nicht zerlegt und mitgenommen?«
    »Sie holen bestimmt Verstärkung«, sagte Aljooscha und deutete auf die blutbesudelte Bestie. »Das Vieh ist doch sehr groß.«
    Dieser Meinung war Nikolaai auch, und die beiden anderen Späher - echte Limonkas - schlossen sich seiner Ansicht an, denn sie wollten ja erst noch Karriere machen. Nikolaai ließ den Weißen Brüller links liegen und stieg mit seinen Mannen in die Tiefe hinab. Auf dem Baanhof angekommen, zündete er die zurückgelassene Laterne an. Als ihr Lichtschein aufflackerte, bemerkte er mit Schaudern, dass auch zwischen den rostigen Eisenstangen die Kadaver Weißer Brüller in ihrem Blute lagen. Diese waren aber beträchtlich kleiner.
    »Pssst«, machte Aljooscha plötzlich. »Hört ihr das?«
    Nikolaai lüpfte seine Pelzmütze und spitzten die Ohren. Da! Er vernahm ein leises Poltern und Schaben! Woher kam es?
    Aljooscha deutete in die Richtung, in welcher der nächste Baanhof lag.
    Nikolaai nickte. Anschließend gab seinen Mannen den vorschriftsmäßigen Wink Nr. 13, der besagte, sie sollten das gleiche tun wie er.
    »Der Zar steh uns bei…« Er zückte seine Dienstwaffe und ging geduckt und auf alle Gefahren vorbereitet dorthin, woher die Geräusche kamen.
    Am Ende des Bahnsteigs, wo der finstere Schacht begann, ragte der helle und zerzauste Schöpf eines Mannes aus dem Boden, der offenbar gerade im Begriff war, sich aus dem tiefen Loch zu hieven, in das schon so mancher sorglos vor sich hin marschierende Jungspäher gefallen war.
    Boshe moj, dachte Nikolaai, als er den Mann erblickte. Er hatte ihn noch nie gesehen, und dabei kannte er jeden Bürger im Reich der Tausend.
    Sein Gesicht war leicht verschrammt, und er zuckte zusammen, als er Nikolaai und seine Mannen wahrnahm. Doch als Nikolaai mit der Waffe winkte, kletterte er aus dem Loch.
    Auf die Frage, wer er sei, sagte er etwas, das Nikolaai nicht verstand. Also deutete er mit der Pistole auf den Rand der Grube, und der Fremde setzte sich dort auf den Boden.
    Aljooscha und die Limonkas glotzten zuerst Nikolaai und dann den Fremdling an. »Du, Nikolaai«, sagte Aljooscha und deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Fremden. »Irgendwas an ihm kommt mir bekannt vor…«
    »Du
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