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0608 - Wo die Leichenfresser hausen

0608 - Wo die Leichenfresser hausen

Titel: 0608 - Wo die Leichenfresser hausen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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bestimmt Ehrfurcht vor dem Leben gelehrt hat. Sie hätte wohl nicht gewollt, daß Ihr zum Mörder werdet.«
    DeDigue sah sie nachdenklich an.
    »Mörder, sagt Ihr, Mademoiselle? Wie kommt Ihr auf diesen absurden Gedanken? Ich spreche lediglich Recht und lasse einen verlogenen Piraten aufhängen. Einen, der viele Menschenleben auf dem Gewissen hat. Und was Euch und Euren Verlobten angeht - ich traue niemandem, und Eure Geschichte ist zudem mehr als seltsam. Wir werden das klären.«
    »Ihr sprecht Recht?« fuhr Nicole auf. »Was für ein Recht? In wessen Namen?«
    »Unterlaßt Eure Dummschwätzerei, Mademoiselle Duvalier«, entgegnete deDigue schroff. »Es ist das Recht des vierzehnten Ludwig, dessen verlängerter Arm ich an dieser Stelle bin. Und ich sage, daß mir Eure Geschichte gar nicht gefällt. Ihr werdet in Fesseln nach Port-au-Prince verbracht. Dort werden wir sehen, ob Ihr wirklich die seid, für die Ihr Euch ausgebt.«
    »Dieser Mann«, Nicole deutete auf Vargaz, »hat das Recht darauf, daß Ihr auch seine Geschichte prüft! Er ist kein Pirat!«
    »Vielleicht doch, und Ihr seid vielleicht auch nicht Montegos Verlobte, sondern des Piraten Bettgespielin, die für ihn schönredet…«
    In der Gegenwart hätte Nicole ihn sicher nur ausgelacht. In dieser Zeit aber blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn zu ohrfeigen. Und das tat sie mit aller Kraft.
    DeDigue wurde von der Wucht des Schlages regelrecht zur Seite geschleudert.
    Und jetzt konnte auch Zamorra nicht anders.
    Es gab Zeugen - die Soldaten. Er durfte die Ehre seiner Verlobten nicht beschmutzen lassen, wenn er nicht selbst als ehrloser Lump dastehen wollte.
    Die Gepflogenheiten dieser Zeit zwangen Zamorra damit etwas auf, das ihm zutiefst widerstrebte, weil er sich nun gegen einen Mann wenden mußte, der drei Jahrhunderte später sein Freund war.
    Und dem er sich jetzt nicht zu erkennen geben durfte.
    Es wurde immer verrückter. Würde sich sein Aussehen Rob Tendyke nun nicht noch besser einprägen?
    Aber es ging nicht anders. Es war jetzt eine Frage der Ehre - nach einem aberwitzigen Kodex, der in Wirklichkeit nicht viel mit Ehre, sondern eher mit Größenwahnsinn zu tun hatte.
    Zamorra trat vor deDigue, noch während sich dessen Gesicht von Nicoles Schlag rötete.
    »Robert deDigue, Ihr habt die Ehre meiner Verlobten in Frage gestellt und sie damit beleidigt. Ich fordere Euch auf, Euch dafür bei ihr zu entschuldigen.«
    Das war die letzte Brücke, die er Tendyke bauen konnte.
    Aber der Abenteurer beschritt sie nicht.
    »Die Ehre eines Piratenflittchens?« Er lachte gehässig.
    Verdammt, das ist nicht der Robert Tendyke, den ich kenne! durchfuhr es Zamorra. Der hier ist ein Teufel!
    Und er begann Don Cristofero plötzlich zu verstehen…
    »So Ihr Euch nicht für diese Beleidigung entschuldigen wollt«, sagte Zamorra scharf, »fordere ich Euch zum Duell!«
    ***
    Nicole stöhnte auf.
    Allerdings wußte auch sie, daß diese Duellforderung unumgänglich war. DeDigue hatte sie regelrecht provoziert.
    Aber - warum?
    DeDigue lachte nicht mehr. Er sah Zamorra an und schien ernsthaft zu überlegen, ob er auf die Herausforderung eingehen sollte oder nicht.
    Dann nickte er.
    »Mit Verlaub, Commandeur«, wandte der Korporal ein.
    »Wenn ich Euch daran erinnern darf, daß Seine Majestät, der sonnenbeschienene Louis, Duelle nicht gestattet…«
    »Der sonnenbeschienene Louis ist einige Wochen stürmischer Seefahrt von hier entfernt und wird sein königliches Gesäß kaum in Bewegung setzen, hierher zu kommen und über diese Angelegenheit zu entscheiden«, sagte deDigue kalt. »Ich danke Ihm für den wohlgemeinten Hinweis, Korporal, und werde zu gegebener Zeit lobend erwähnen, daß Er mich vor einem fahrlässigen Gesetzesverstoß bewahren wollte. Deshalb wird dieses Duell auch nicht stattfinden, Korporal, nicht wahr?«
    Er wandte sich wieder Zamorra zu.
    »Da dieses Duell nicht stattfindet, habe ich natürlich auch nicht die Wahl der Waffen. Was also schlagt Ihr für unser… unsere Übung vor, Montego?«
    Zamorra lächelte. Das hatte er sich nicht einmal zu erhoffen gewagt.
    Die Musketen kamen für ein Duell nicht in Frage. Mit denen konnte man vielleicht auf drei oder vier Schritte Entfernung eine Scheune treffen - mit etwas Glück. Und was Säbel oder Degen anging, mit diesen Waffen war Zamorra zwar vertraut, DeDigue aber ebenfalls.
    Doch Zamorra ging davon aus, daß er der bessere Kämpfer war. Er würde deDigue entwaffnen können. Und wenn’s nicht anders
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