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0603 - Die Pestklaue von Wien

0603 - Die Pestklaue von Wien

Titel: 0603 - Die Pestklaue von Wien
Autoren: Jason Dark
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hinten gekämmt, so daß ihr Gesicht einen etwas strengen Ausdruck bekam. Wieder fand sie ihre Nase zu groß, die Wangenknochen zu stark hervortretend, aber da konnte man nichts machen.
    Sie nahm die Badehaube, setzte sich auf und stieg in das herrlich temperierte Wasser.
    Aufseufzend streckte sie sich aus, dachte dabei an den Job, was ihr nur unvollkommen gelang. Etwas anderes schob sich ständig zwischen ihre Gedanken.
    Eine Hand!
    Gewaltig, groß, graubraun, mit Fingern lang wie Männerbeine und wahnsinnig kräftig. Eine regelrechte Killerklaue, die alles zerquetschte, was sich ihr in den Weg stellte.
    Warum die Hand?
    Seit sie in Wien war, wurde sie von ihr verfolgt. Sie hatte die Klaue bei der Besichtigung der Katakomben gesehen, unter der Decke war sie angebracht worden, als wollte sie die in den Wandnischen stehenden Urnen und auch die Särge beobachten.
    Schon beim ersten Anblick der Hand war es ihr durch und durch gegangen. Da hatte sie gespürt, daß etwas nicht stimmte und daß genau diese Hand mit ihr zu tun hatte, mit ihrem Schicksal, mit ihrem Werdegang. Von diesem Zeitpunkt an waren die Schweißausbrüche und die Angstgefühle über sie hereingebrochen und hatten sie immer stärker verfolgt.
    Es war Isabel de Dijon gelungen, diesen Zustand vor den Kolleginnen verborgen zu halten, irgendwann jedoch würde sie es nicht mehr schaffen und durchdrehen.
    Zudem sollte in genau drei Tagen die große Schau beginnen. Stars und Mode, eine Schau im Freien, der Wettergott spielte mit, und das alles lief auf dem berühmten Platz vor dem Stephansdom ab.
    Aber in dessen Tiefe kauerte die Klaue…
    In einem der unheimlichen Räume, durch die man die Mannschaft geführt hatte, denn ein Besuch in den Katakomben und bei den Pesttoten gehörte einfach zum Wien-Programm.
    Warum nur? Warum? Immer wieder hatte sie sich die Frage gestellt, aber nie eine Antwort erhalten. Weshalb war ihr Schicksal mit dem der Klauen so eng verknüpft?
    Schwaden trieben durch das Bad, hatten sich auf die Spiegelfläche gelegt und sie blind gemacht. Isabel fand, daß es eine gute Idee von ihr gewesen war, sich in die Wanne zu legen und die Wärme eines Bads zu genießen. Das Wasser lenkte sie auch von der Klaue ab.
    Nach etwa einer halben Stunde spürte sie, wie sich das Wasser allmählich abkühlte. Jetzt war es an der Zeit, die Wanne zu verlassen.
    Noch einmal streckte sie sich und tauchte dabei bis zum Kinn unter. Dann drehte sie sich, umklammerte den Haltegriff und zog sich langsam in die Höhe.
    Isabel fühlte sich besser. Der Schaum perlte über ihre Haut, begleitet von türkisfarbenen Wasserstreifen. Rasch wickelte sie sich in das flauschige Badetuch und knotete es über ihrer Brust zusammen. Bevor sie sich abtrocknete, wollte sie mit der Bürste durch die Haare streichen, nahm die Haube ab und hörte, wie sich das Telefon im Nebenzimmer meldete.
    Sie überlegte. Wer wollte was von ihr? Vielleicht eine Kollegin oder der Manager der Truppe. Möglicherweise auch die Einladung irgendeines Sponsors, denn bekannte Firmen zahlten die große Schau auf dem Stephansplatz.
    Zuerst wollte Isabel de Dijon nicht abheben, beim vierten Summen hatte sie es sich überlegt, ging in den Wohnraum und setzte sich aufs Bett, bevor sie den Hörer ans Ohr drückte und ihr »Ja, hallo, wer ist da?« in die Muschel sprach.
    Nichts war zu hören. Keine Stimme, keine Worte, kein Lachen…
    Über Isabels Schultern kroch eine Gänsehaut. »He, wer sind Sie? Melden Sie sich, sonst lege ich auf!« Das hatte sie schon längst gewollt. Seltsamerweise schaffte sie es nicht. Da war irgendein Hindernis, das sie Zwang, es nicht zu tun und weiter zuzuhören, obwohl sich niemand am anderen Ende befand.
    Oder doch?
    Etwas Zischendes drang an ihr Ohr, als wäre jemand dabei, tief Luft zu holen. Und dann vernahm sie sehr deutlich das heisere Flüstern. »Leg nicht auf, Isabel.«
    Es gab ihr einen Stich. Sie spürte ihn in der Herzgegend. Wieder überfiel sie das Zittern, und sie dachte automatisch an die Hand.
    Aber sie konnte nicht reden.
    »Bist du noch da?«
    »J… ja …«
    »Schön, Isabel, schön. Ich freue mich, daß wir sprechen können.«
    Er lachte leise und gemein. »Ja, ich freue mich sehr. Ich habe lange darauf gewartet.«
    »Was wollen Sie? Wer sind Sie?« Isabel merkte, wie ihre Stimme immer stärker zitterte, obwohl sie es nicht wollte, deshalb ärgerte sie sich so sehr darüber.
    »Das kann ich dir sagen, Isabel. Sitzt du auf dem Bett? Ja, du sitzt auf deinem
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