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060 - Bis zum letzten Schrei

060 - Bis zum letzten Schrei

Titel: 060 - Bis zum letzten Schrei
Autoren: Larry Brent
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herausziehen.
    Er fluchte
leise vor sich hin, als ihm einfiel, daß er das Päckchen auf der Fensterbank
hatte liegen lassen, weil er vor dem Zubettgehen noch geraucht hatte.
    Drei Minuten
lang stand er wie zur Salzsäule erstarrt und lauschte in die Schwärze und
Stille, die ihn umgaben.
    Dann sagte er
sich, daß alles nur Einbildung sei. Er war ein erwachsener Mensch und benahm
sich wie ein Kind!
    Er versuchte,
die trüben Gedanken und die seltsame Stimmung, die ihn befallen hatten,
abzuschütteln.
    Nur
schwerlich gelang es ihm. Es kostete ihn Überwindung, den riesigen Burghof zu
überqueren. Er mußte an das Mädchen denken, das in dieser Nacht hier oben zu
Besuch weilte. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn.
    Der
Burgaufseher beschleunigte seine Schritte, die hart auf dem groben
Kopfsteinpflaster hallten. Er erreichte das Hauptgebäude, in dem seit Jahren
links neben dem Treppenaufgang ein Restaurant untergebracht war. Die mäßig
eintrudelnden Besucher konnten hier einen kleinen Imbiß und ein Glas Bier zu
sich nehmen.
    Soiger stand
vor dem ersten der hohen Fenster und reckte den Kopf, um etwas sehen zu können.
Die schweren, roten Vorhänge, die in der Dunkelheit schwarz wirkten, waren
nicht gänzlich zugezogen, so daß ein schmaler Spalt blieb, durch den man in den
Gastraum sehen konnte. Viel war nicht zu erkennen. Der Mond war
weitergewandert, und das weiße Licht lag nun voll auf den Fenstern des auf der
anderen Seite des Treppenaufgangs liegenden Rittersaales.
    Er konnte die
Schlafstelle von Edith Rouflon nicht wahrnehmen. Sie lag zu weit in der
hintersten Ecke.
    André Soiger fühlte
kurz den Wunsch in sich aufsteigen, einmal anzuklopfen. Doch dann verwarf er
den Gedanken wieder. Sein Verhalten war zu absurd.
    Soiger löste
sich von der Treppe. Die bedrohliche Stille und die fühlbare Spannung in der
Luft wirkten unverändert auf ihn ein, und der Mann glaubte, den Verstand zu
verlieren, weil er keine Erklärung für sein Empfinden fand.
    Er mußte mit
Marie sprechen, in aller Ruhe. Sie mußte ihm sagen, was mit ihm los war.
    Soiger stieß
hörbar die Luft durch die Nase. Dann kam er an der Fensterreihe zum Rittersaal
vorüber.
    Den Blick auf
die bunten Scheiben gerichtet, wollte er sich wieder von dem Quergebäude entfernen.
    Da zuckte er
zusammen.
    In einer
breiten Lichtbahn, die das obere braune Glas des Fensters durchbrach, sah er
einen Teil des nackten Bodens, den der nicht ganz vorgezogene Vorhang offen
ließ.
    Er sah die
langen, vom fahlen Mondlicht weiß wirkenden Beine einer jungen Frau.
    Es gab Soiger
einen Stich durch die Brust.
    Wachte oder
träumte er?
    Sekundenlang
war er unschlüssig, was er tun sollte. Dann drückte er sein Gesicht gegen die
Scheibe.
    Es gab keinen
Zweifel: Im Rittersaal lag jemand!
    Eine Flut von
Überlegungen und Gefühlen stürzte auf ihn ein.
    Er handelte
mechanisch.
    In dieser
Nacht hatte er dem Mädchen zuliebe die große Eingangstür nicht verschlossen.
Das war nicht weiter schlimm. Hier auf diesem hohen, abgelegenen Hügel konnte
niemand unbemerkt einbrechen, es sei denn, derjenige hätte sich zuvor irgendwo
versteckt. Doch das war so gut wie ausgeschlossen. Soiger kannte solche Verstecke
nicht.
    Wie in Trance
stürzte er durch den düsteren Raum und sah schon von weitem die Zwischentür zum
Rittersaal offenstehen. Er hoffte noch immer, daß das Ganze nur eine
Halluzination sei.
    Doch dann
stand er in dem gespenstisch fahlen Rittersaal, fühlte die Angst und das
Grauen, das ihn gefangenhielt, und sah den Körper der Toten vor sich.
    Edith Rouflon
lag in einer großen, noch frischen Blutlache.
    Soiger drehte
sich der Magen um. Der Burgaufseher mußte sich an einer Sandsteinsäule stützen.
Er war totenbleich.
    André Soiger
wußte später nicht mehr zu sagen, wie alles chronologisch abgelaufen war.
    Er kam erst
wieder zu sich, als er durch die Nacht zum Wohnhaus zurückrannte.
    Auf halbem
Weg fing er plötzlich wieder an, klarer zu denken. Er verlangsamte seinen
Schritt.
    Ein
nachdenklicher Zug kennzeichnete das Gesicht des Mannes, und ein fiebriger
Glanz trat in die dunklen Augen.
    Er konnte es
nicht riskieren, die Gendarmerie zu verständigen!
    Soiger wußte,
daß er nicht der Mörder der jungen Besucherin war, die ohne Begleitung und
völlig fremd im Lauf des Vormittags eingetroffen war.
    Aber würde
die Polizei ihm das glauben, was er zu sagen hatte? Würde sie sich nicht
wundern, daß er nachts – gegen seine sonstige Gewohnheit – noch einmal einen
Rundgang
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