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06 - Ein echter Snob

06 - Ein echter Snob

Titel: 06 - Ein echter Snob
Autoren: Marion Chesney
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mitnehme.«
    »Und das war alles?«
    Nein, es war nicht alles, und der
Herzog wußte, er musste Miss Sutherland sagen, dass ihre Tante noch heute einen
Besuch von ihm erwartete, bei dem er Lady Letitia um die Erlaubnis bitten
würde, Jenny den Hof machen zu dürfen. Aber was war, wenn Jenny ihn ablehnte?
Was, wenn sie nur aus Angst seine Küsse erwidert hatte? Er marterte sich mit
Zweifeln, aber er konnte sich nur an seine eigene große Leidenschaft erinnern.
Wie kam es, dass er, der so vielen Schlachten ohne Angst ins Auge gesehen
hatte, bei dem bloßen Gedanken erzitterte, dass ihn diese eine Debütantin
abweisen könnte?
    »Nein, es war nicht alles«, sagte
er. Er ließ die Zügel hängen, und die Pferde verlangsamten ihren Schritt. Die
Kutsche mit den Dienern überholte sie, und Dave, der mit Rainbird auf dem Dach
saß, pfiff ein freches Lied.
    »Ich habe Lady Letitia geschrieben«,
sagte er in unbeteiligtem Ton, »dass ich sie heute noch aufsuchen werde.«
    »Tante Letitia wird sicherlich eine
Erklärung erwarten«, meinte Jenny. »Sie wird es höchst merkwürdig finden, dass
ich mit Ihnen bei Tagesanbruch eine Spazierfahrt unternommen habe, ohne sie zu
fragen, und sie wird wissen wollen, wann wir das verabredet haben.«
    »Ja, das ist mir klar.«
    Jenny schaute hoffnungsvoll zu ihm
auf, aber er blickte stur geradeaus. Er sah beeindruckend und abweisend in
seinem Tagesanzug aus. Sein blauer Schwalbenschwanz, die weiße Halsbinde und
der Biberhut mit der gebogenen Krempe erschienen ihr überaus korrekt,
verglichen mit ihrem schäbigen Kleid und dem Schultertuch. Ihr Hut lag immer
noch, so viel sie wußte, auf dem Boden im Büro des Verwalters. Sie hätte nach
Hause gehen sollen, um etwas anderes anzuziehen, während er sich ebenfalls
umzog, hatte aber gefürchtet, dabei ertappt zu werden.
    »Und welche Erklärung werden Sie
Tante Letitia geben?«
    Er hielt die Pferde an und wandte
sich der traurigen kleinen Gestalt zu, die da neben ihm in der Kutsche saß.
»Ich werde ihr schlicht und einfach erklären, dass ich Sie liebe und heiraten
will. Wenn wir Glück haben, wird diese Mitteilung alle Fragen, die unseren
Ausflug betreffen, in den Hintergrund treten lassen. Ich habe das Gefühl, dass
ich Sie kompromittiert habe und jetzt heiraten muss.«
    »Dann werde ich alles leugnen, was
in dieser Nacht geschehen ist«, sagte Jenny. »Ich werde niemals einen Mann
heiraten, nur weil er sich verpflichtet und gezwungen dazu fühlt.«
    »Das ist Unsinn«, sagte der Herzog.
Er nahm sie in die Arme und küsste sie leidenschaftlich. »Liebst du mich?«
fragte er schließlich.
    »0 ja«, sagte Jenny. »Ich glaube
wirklich, dass ich dich liebe.« Von neuem fing er an, sie zu küssen, während
seine Pferde erstaunt die Köpfe wandten.
    Erst als sie von Marktleuten, die in
einem Wagen an ihnen vorbeifuhren, derb verspottet wurden, kam er wieder zur
Vernunft. »Wir müssen die anderen einholen«, sagte er widerstrebend, »sonst
verbringe ich in Highgate Stunden auf der Suche nach dem Gasthaus. Halt dich
fest! Ich lasse die Pferde laufen.«
    Jenny klammerte sich seitlich an der
offenen Kutsche fest, als sie durch die Straßen rasten und hinaus aufs offene
Land. Sie war benommen vor Glück und hätte gerne laut gejauchzt, als die Felder
und Bäume und Büsche an ihnen vorbeiflogen.
    Sie hatten die anderen schnell
eingeholt. Der Herzog verlangsamte das Tempo, und sie fuhren in gemessenem
Schritt durch das Dorf Highgate bis zum Gasthaus am Ortsausgang.
    »Was ist das, Joseph?« fragte der
Koch, als sie alle miteinander das Gasthaus betraten, nachdem Rainbird die Tür
aufgesperrt hatte. Der Lakai trug einen großen Pappkarton, in den Luftlöcher
gebohrt waren.
    »Das ist der Schnorrer«, sagte
Joseph.
    Der Schnorrer war ein Küchenkater,
groß und gestreift wie ein Tiger und Josephs Liebling.
    »Warum bringst du ihn denn hierher?«
fragte der Koch.
    »Weil ich ihn nicht an meine neue
Stelle mitnehmen kann«, sagte Joseph, hob den großen Kater aus dem Karton und
setzte ihn sich auf die Knie. »Du musst dich um ihn kümmern und gut zu ihm
sein, denn er ist der einzige in der ganzen weiten Welt, der mich liebt.«
Joseph vergrub sein Gesicht im Fell des Katers und begann zu schluchzen.
    Der Herzog, Jenny, Fergus und Paul
Gendreau sahen zu, wie sich die Diener um Joseph drängten.
    »Wir lieben Sie alle, Joseph«, sagte
Mrs. Middleton. »Bleiben Sie nicht in Stellung. Kommen Sie zu uns. Wir werden
Sie auch adoptieren.«
    Angus unterdrückte
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