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0599 - Die Burg der Schlange

0599 - Die Burg der Schlange

Titel: 0599 - Die Burg der Schlange
Autoren: Andreas Kasprzak
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Deadheads in London zu sein, und seitdem hatte er feststellen müssen, daß Nächte im Heú nicht halb so romantisch waren, wie allgemein behauptet wurde.
    Außerdem gab es in Scheunen selten eine Minibar, die man nach Lust und Laune plündern konnte.
    »Irgendwas werden wir schon finden.«
    Jessica stieß einen mißmutigen Laut aus, rückte beim Gehen die Riemen ihres Rucksacks zurecht und fragte sich, wie zur Hölle sie sich bloß in einen Burschen wie Jackson hatte verknallen können. Er hatte kein Auto, kein Geld, und die Chance, daß er beides in absehbarer Zeit irgendwie bekommen würde, waren auch nicht besonders.
    Dafür konnte er lateinische Liebesgedichte rezitieren und Algorithmen im Kopf lösen.
    Immerhin etwas.
    Hinter ihnen tauchten plötzlich die weißen Lichtlanzen eines Scheinwerferpaars auf. Die gleißende Helligkeit warf die Schatten der jungen Leute wie mutierte Monstren vor ihnen auf den schwarzen Asphalt der Fahrbahn. Jackson drehte sich um.
    Er kniff die Augen zusammen, um nicht von den rasch näherkommenden Scheinwerfern geblendet zu werden, und streckte die Hand aus, den Daumen hoch. Zeichen, daß sie nach einer Mitfahrgelegenheit suchten.
    Jessica blickte dem Wagen ebenfalls entgegen. Sie hielt wie ihr Begleiter den Anhalterdaumen 'raus.
    Vermutlich hielt der Fahrer sowieso nicht an, schließlich befanden sie sich mitten in der Nacht auf einer einsamen Landstraße im Nirgendwo, doch einen Versuch war es immerhin wert.
    »Meinst du, die Karre hält an, Jack?«
    »Werden wir gleich sehen«, erwiderte er.
    Der Wagen kam näher. Die Scheinwerfer glitten über die Bäume, machten die Nacht zum Tag. Das schnurrende Dröhnen eines Dieselmotors lag in der Luft.
    Als das Auto bis auf etwa dreihundert Meter herangekommen war, erkannte Jack, daß es sich bei dem Fahrzeug um einen Mercedes handelte. Eines der neuen Fabrikate, für die man ein Vermögen hinblättern mußte. Beliebt vor allem bei den Autodieben aus dem Ostblock. Damit sanken ihre Chancen praktisch ins Bodenlose eine Mitfahrgelegenheit nach Hexham zu finden.
    Der Wagen würde nicht anhalten.
    Jackson hatte recht.
    Der schwarze Mercedes führ vorbei. Hinter seinen Scheiben war bei dem Wechselspiel aus Licht und Dunkel nichts zu erkennen.
    Das blutige Rot der Rücklichter glänzte auf dem Asphalt, wurde kleiner, als sich das Auto entfernte.
    Jessica stieß einen Fluch aus. »Verdammter Mist!«
    Jackson stimmte ihr im Stillen zu, zog den Reißverschluß seiner Lederjacke auf und griff bereits nach der Zigarettenpackung, um sich eine weitere Kippe anzustecken…
    ...als er sah, daß die Rücklichter des Mercedes unvermittelt wieder größer wurden, wie die Augen einer näherkommenden Bestie in einem drittklassigen Horrorschocker.
    »Was, zum Teufel…?« murmelte er.
    Der Mercedes stieß weiter zurück, rollte rückwärts, bis er direkt neben den jungen Leuten stand.
    Abgaswolken drifteten aus dem Auspuff, stiegen empor, dann glitt das Fenster auf der Fahrerseite mit einem leisen Summen herunter, und die Innenbeleuchtung des Wagens ging an.
    Verhaltene Musik, irgendwas Klassisches, Bach oder Mozart, drang aus dem Inneren der Limousine.
    Am Steuer des Mercedes saß eine Frau - obgleich dieser Ausdruck für die Spitzenbraut in der Limousine fast schon ein Frevel war. Dieses Wesen war schlechtweg ein Engel!
    Langes, schwarzes und über die schmalen Schultern wallendes Haar. Feine, feminine und gleichzeitig markante Züge, die andeuteten, daß mindestens eins der Elternteile aus Südamerika stammte. Große, dunkle Augen mit langen, geschwungenen Wimpern, volle, von Natur aus rote Lippen, die wie zum Küssen geschaffen waren, eine irgendwie klassische Nase und ausgeprägte Wangenknochen. Samtweiche Haut von der Farbe von Milchkaffee.
    Die personifizierte Sünde.
    Ein Engel…
    Ein Todesengel!
    ***
    Jackson konnte nicht verhindern, daß seine Kinnlade beim Anblick dieser Frau herunterklappte, als hätte irgendwer unbemerkt den Sicherungsstift herausgezogen. Plötzlich begann er wieder daran zu glauben, daß es einen Gott gab, dem das Wohl seiner Schäfchen am Herzen lag.
    »Ein bißchen spät für einen Abendspaziergang, hm?« fragte die Traumfrau lächelnd. Ihre Stimme klang sanft und zugleich ein wenig rauchig. Ihre dunklen Augen schienen im Licht der Deckenbeleuchtung des Wagens zu glimmen wie Edelsteine.
    »Ähm…« Obgleich Jacksons Mund so weit offenstand wie ein Scheunentor, bekam er - paradox, aber wahr - die Zähne nicht auseinander.
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