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059 - Blutige Küsse

059 - Blutige Küsse

Titel: 059 - Blutige Küsse
Autoren: Dämonenkiller
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of Alkahest ihm entgegenkam.
    Der Vampir wischte sich mit dem Ärmel seines Umhangs über den schmalen Mund und machte einen satten Eindruck.
    »Du kannst gleich das Geschöpf wegschaffen«, sagte der Vampir wie selbstverständlich zu Dorian. »Lass es irgendwo verschwinden. Es ist für mich nutzlos geworden.«
    Dorian begriff, doch er reagierte nicht mit Abscheu. Natürlich war der Graf zu der jungen Frau hinübergegangen, die John Valby an die Wand gefesselt hatte. Natürlich hatte der Vampir sich dort mit frischem Blut versorgt.
    Dorian holte tief Luft und schüttelte ein paar lästige Gedanken ab. Was ging ihn die junge Frau an? Sie hatte für ihr Theriak bezahlt. Das war in Ordnung. Eines Tages würde auch er bezahlen müssen, doch das lag noch in sehr weiter Ferne.
    »Komm jetzt! Ich werde dich einweihen«, forderte sein Herr ihn auf. »Ich werde mich gleich wieder zurückziehen. Meine eigentliche Zeit ist noch nicht gekommen.«
    Sie gingen in das Labor zurück, wo der Count of Alkahest auf die Arbeitstische und das chemische Gerät zeigte. Dann ergriff er einen dicken Folianten und schlug ihn auf. Es handelte sich um ein uraltes Kräuterbuch. Die darin abgebildeten Pflanzen waren mit peinlichster Genauigkeit gezeichnet und koloriert worden. Die Zeichnungen waren derart plastisch, dass man versucht war, die Pflanzen aus dem Buch zu nehmen.
    »Sortiere die Pflanzen dort im Korb!«, sagte der Graf. »Und dann zerstoße die Wurzeln! Auf sie allein kommt es an. Die Blüten sind vergänglich, aber in den Wurzeln steckt die Kraft.«
    Dorian war bereits bei der Arbeit, als der düstere Graf seine Alchemistenküche verließ. Er hatte den großen Korb von der Kette genommen und schüttete jetzt die getrockneten Pflanzen auf den langen Tisch. Zuerst wusste er nicht, warum er auf diese getrockneten Pflanzen starrte, dann konzentrierte sein Blick sich auf eine ganz bestimmte Blume. Sie war getrocknet wie die übrigen Pflanzen und Blüten, aber dennoch zeichnete sie sich durch eine Besonderheit aus. Sie ließ eine Saite in ihm erklingen, die ihn nachdenklich machte. Erinnerungsfetzen schossen durch seinen Kopf. Er hob die getrocknete Blüte hoch, wog sie in seiner Hand. Woher kannte er diese Blüte? Was hatte sie ihm zu sagen?
    Sie verwandelte sich in die Umrisse eines Gesichtes, das sie belebte und erkennbar wurde.
    Die Geisterfrau!
    Bildfetzen aktivierten seine Erinnerung. Natürlich kannte er dieses Gesicht. Rom! Cinecitta! Da war doch dieser einfach gestrickte Horrorfilm gewesen, den sein Freund Parker hatte drehen lassen. Dieses Gesicht war auf den bereits belichteten Filmstreifen erschienen. Dieses strenge Gesicht, das in Sekundenschnelle einen lockenden und weichen Ausdruck annehmen konnte, hatte ihn lange beschäftigt.
    Das Antlitz dieser geheimnisvollen Frau verwandelte sich in eine vertrocknete Blüte zurück. Dorian legte sie zur Seite, starrte sie an und lächelte spöttisch.
    Er wusste nun, wo er diese Blume schon einmal gesehen hatte. Auf dem mit Tusche gepinselten Rollbild, das sich in seinem Besitz befand. Es lag in London.
    Jäh setzten die Schmerzen ein. Er hielt sich die pochenden Schläfen. Wahrscheinlich hatte er zu viel Theriak getrunken. Sein Geist fuhr Karussell mit ihm. Wilde Phantasien mischten sich mit der Realität.
    London. Das bedeutete für Sekundenbruchteile auch die Erinnerung an eine Taufe. Was war da gewesen? Wieso dachte er an eine Taufe? Was hatte er damit zu tun?
    Zögernd nahm er wieder die getrocknete Blüte in die Hand, konzentrierte sich auf sie, schüttelte dann jedoch ratlos den Kopf. Er war nicht in der Lage, seine Gedanken zu steuern; er war und blieb auf Zufallsbilder angewiesen.
    Als er sich weit über den Tisch beugte, um einige weggerutschte Wurzeln zu sich heranzuziehen, spürte er plötzlich einen kneifenden Schmerz im rechten Oberschenkel. Automatisch fasste er nach der schmerzenden Stelle und ertastete in seiner Hosentasche ein kleines Fläschchen, das er bisher völlig übersehen und vergessen hatte.
    Er holte es aus der Hosentasche und sah kopfschüttelnd auf das tiefe Rot der kleinen Flasche. Sie enthielt irgendeine Flüssigkeit, mit der er jedoch nichts anzufangen wusste. Achtlos ließ er das kleine Fläschchen wieder in der Hosentasche verschwinden, zumal er schlurfende Schritte hörte.
    Die Zeit seines Herrn, des Count of Alkahest, war gekommen. Dorian Hunter sah erwartungsvoll zur Tür der Alchemistenküche hinüber.

    »Wir werden heute Abend Gäste haben«,
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