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0571 - Die Legende vom grauen Riesen

0571 - Die Legende vom grauen Riesen

Titel: 0571 - Die Legende vom grauen Riesen
Autoren: Jason Dark
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Bestimmt hatte sie London erreicht.
    Ich brauchte da nur an mein makabres Geburtstagsgeschenk zu denken, die mit einer Blutblase gefüllte Torte und die auf Kassette gesprochene Nachricht.
    Immer wieder malte ich mir aus, was geschehen würde, wenn ich dem Kommissar gegenüberstand und er mein Blut wollte.
    Die Bilder verschwammen, als hätte sie jemand wegradiert. Nur keine Pläne machen, hämmerte ich mir ein. Ich mußte alles auf mich zukommen lassen.
    Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Es war über mir aufgeklungen, kam aber näher. Ich drehte mich nach rechts und sah einige Steine vom Hang hinabrollen.
    Blitzschnell stand ich auf.
    Nichts war zu sehen. Wer immer die Steine den Hang hinabgeschleudert hatte, er ließ sich nicht blicken.
    Nach einer Weile duckte ich mich wieder zusammen und schaute der Sonne zu.
    Ja, sie war bereits gesunken und hatte auch ihre Farbe verändert.
    Das helle Gelb bekam allmählich einen dunkleren Ton. Bald würde sie in einem kräftigen Rot leuchten und schließlich verschwinden.
    Das war dann die Zeit des Riesen!
    »Ich liebe euch. Ich liebe euch alle! Ihr habt mir den Weg gezeigt.«
    Lucy Freeman hatte die Worte dermaßen laut gesprochen, daß selbst ich sie hören konnte.
    Wieder stand ich auf.
    Im gleichen Augenblick verließ Lucy die Höhle. Begleitet von ihren neuen Freunden, den Schlangen.
    Auch jetzt waren sie noch überall, hingen wie Kletten an ihrem Körper fest, und ein Reptil hatte sich als lebender Schal um den Hals der jungen Frau gewickelt.
    Nicht alle Schlangen umgaben ihren Körper. Einige folgten ihr über den Boden gleitend. Sie waren ebenso schnell wie die Frau, huschten über die Unebenheiten des Hangs hinweg, drehten sich um aus der Erde wachsende Steine oder glitten durch Spalten.
    Mich beachtete Lucy nicht. Ich wunderte mich auch darüber, wie beschwingt sie das Gelände hochschritt. Als hätte sie in der letzten Zeit unheimlich viel Kraft getankt.
    Es fiel mir nicht leicht, ihr zu folgen. Der Weg war anstrengend, ich kam etwas aus der Puste.
    Und Lucy ging weiter.
    Ihr Ziel war die herrliche Sonne, in deren Innern das Rot immer stärker hervortrat.
    Sie bot ein wunderbares Bild. Maler und romantische Dichter hätten an ihr die helle Freude gehabt. Ich jedoch sah sie mit anderen Augen.
    Der Riese hielt sich zurück. Ich konnte mir auch kein Bild von ihm machen, denn beschrieben hatte ihn die Träumende nicht. Ich rechnete mit einem gewaltigen Steinklotz, der aus verschiedenen Stücken bestand und einen unregelmäßig geformten Körper aufwies.
    Der Ball gab seine Strahlen ab, die auch die Insel erreichten und wie ein gewaltiger Teppich über das Eiland flossen. Rot, gelb, manchmal dunkel, so verteilten sich die Farben, die nichts ausließen und in jede Spalte oder in jeden Winkel hineinkrochen, um ihn mit ihrem Licht auszufluten.
    Die Strahlen erreichten auch die Gestalt der Lucy Freeman, umflossen sie wie ein Mantel und gaben der hochsteigenden Frau etwas Götterhaftes.
    Sie war eine Gestalt wie aus einem Märchen. Dabei schwebte sie über der Erde, eingepackt in Schlangenleiber, die sie schützten!
    Ich blieb hinter ihr.
    Noch hatte sich der graue Riese nicht gezeigt. Ich ging davon aus, daß er in der Tiefe dieser Insel lauerte.
    Weit brauchte Lucy nicht mehr zu gehen, weil das Ende des Hanges sich als runder Buckel abzeichnete.
    Was lag dahinter?
    Wieder ein Hang, die untergehende Sonne, das Meer mit seinen langen Wogen, und er?
    Bestimmt!
    Lucy Freeman wußte genau, wann sie stehenbleiben mußte. Es war ein eigentlich idealer Platz, eine gerade Stelle auf der Schräge.
    So konnte die junge Frau nicht kippen.
    Noch tat sie nichts, schaute in den roten Ball der Sonne. Dann aber drückte sie den Oberkörper vor und verbeugte sich.
    Ich entdeckte keine Person, der sie die Ehre hätte erweisen können. Sie reagierte bestimmt anders. Sie war bereits eins mit der Insel geworden, die ihr bestimmt die Botschaft aus der Tiefe entgegensenden würde.
    Was merkte sie?
    Ich stand schräg hinter ihr und ließ sie nicht aus dem Blick. Vom langen Starren schmerzten meine Augen etwas. Ich preßte die angewinkelten Finger gegen die Augäpfel, und als ich die Hände wieder sinken ließ, da hatte Lucy ihre Haltung verändert.
    Wie eine Betende wirkte sie mit ihren nach oben gereckten Armen, die sie zusätzlich noch ausgebreitet hatte, als wollte sie den gesamten Ball der Sonne umfassen.
    Ich wußte, daß es möglich war, gedanklich mit irgendwelchen Phänomenen Kontakt
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