Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
057 - Die Tochter des Werwolfs

057 - Die Tochter des Werwolfs

Titel: 057 - Die Tochter des Werwolfs
Autoren: Dämonenkiller
Vom Netzwerk:
bereitete Trevor Sullivan keine Schwierigkeit. Er war nach Kriegsende in einem Gefangenenlager im Westerwald als Dolmetscher und Verhöroffizier eingesetzt gewesen. Nun erinnerte er sich auch wieder an Bernd Sommer. Scharf und klar tauchte vor seinem geistigen Auge das Bild eines mittelgroßen, blonden jungen Mannes auf.
    Bernd Sommer hatte eine schäbige Brille mit runden Gläsern getragen, als Trevor Sullivan ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Der linke Bügel fehlte, er wurde durch ein Stück Gummi von einer alten Gasmaske ersetzt. Versonnen lächelte Trevor Sullivan. Es war merkwürdig, wie man sich an solche Einzelheiten erinnern konnte.
    Es war einige Jahrzehnte her, seit dieser Brief geschrieben wurde. Sullivans Gedanken schweiften zurück. Er war als blutjunger Mensch ins Nachkriegsdeutschland gekommen und hatte geglaubt, ihm gehöre die Welt, und war der festen Überzeugung gewesen, aus diesem großen Krieg hätten die Menschen gelernt und jetzt müsse alles besser werden.
    Der Mann mit dem schütteren, grauen Haar und dem blassen Gesicht dachte, dass er damals ein Kind gewesen sei.
    Noch einmal zog jene Zeit vor ihm vorbei, seine Jugend, die vom Krieg und der Nachkriegszeit geprägt war.
    Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, das war ein zerbombtes und ausgeblutetes Land, das waren Ruinenstädte und Trümmerfrauen, Lebensmittelrationierung, Schwarzmarkt und Hunger. Das Kriegsgefangenenlager befand sich in der Nähe von Hadamar. Wachtürme und Stacheldraht umgaben die Baracken.
    Im Westerwald-Lager waren nur wenige Soldaten untergebracht, meistens Offiziere und Leute, die Sonderaufgaben gehabt hatten. Das Lager wurde von den Briten scharf bewacht. Ständig wurden Verhöre durchgeführt, viele Lagerinsassen hatten mit Kriegsverbrecheranklagen zu rechnen, einige waren nach Nürnberg zu den dort stattfindenden Prozessen überführt worden.
    Trevor Sullivan war fast ständig übermüdet, denn es gab außer ihm nur zwei weitere Dolmetscher.
    An diesem Vormittag erschien Corporal Button von der Lagerwache in Sullivans Barackenbüro. Buttons Wangen waren rot von der Kälte, denn im Westerwald pfiff ein eisiger Wind.
    »Was gibt's, Button?«
    »Sommer hat wieder mal verrückt gespielt, Sir. Er ist ins Lebensmitteldepot eingebrochen, hat eine Flasche Schampus ausgesoffen und mit Fressalien um sich geschmissen. Wir brauchten vier Mann, um ihn zu bändigen. Er hat wieder seinen Koller, Sir.«
    Der junge Trevor Sullivan seufzte. »Also gut, bringen Sie ihn rein, Button. Und dann warten Sie vor der Tür.«
    Der rotgesichtige Button stampfte hinaus, zwei kräftige Soldaten schleppten Bernd Sommer herein. Der blonde, schmächtige Mann grinste über das ganze Gesicht.
    Sullivan schickte die Soldaten mit einem Wink hinaus, stand auf und schloss die Tür, die in das Büro seiner Sekretärin führte. »Also, Sommer, was war es diesmal wieder?«
    Der Deutsche zuckte die Schultern. »Weiß nicht, Captain. Mein üblicher Koller. Seit die Russen mich in Sibirien in der Mangel hatten, drehe ich eben manchmal durch.«
    Sullivan nahm einen Schnellhefter aus der Schreibtischschublade, schlug ihn auf und las. »Alle vier Wochen, um genau zu sein. Vor vier Wochen haben Sie in der Kantine einen Aufruhr angezettelt und Fenster und Geschirr zerschlagen. Vor acht Wochen haben Sie Sergeant Bridell von der Lagerwache nur so zum Spaß Mütze, Koppel und Karabiner gestohlen und in den Bach geworfen. Vor zwölf Wochen haben Sie am Fahnenmast statt der britischen Flagge eine alte dreckige Unterhose gehisst. Soll ich fortfahren?«
    Bernd Sommer grinste den jungen Captain mit seinem zerschlagenen, geschwollenen Gesicht unbekümmert an. »Sperren Sie mich wieder ein, Captain Sullivan. Vier Tage Einzelhaft im Bunker, von mir aus auch eine Woche.«
    »Damit ist es diesmal nicht getan. Das ist kein Spaß mehr, was Sie da treiben. Ich mag Sie, Sommer, und Sie wissen das. Aber ich habe Ihnen schon beim letzten Mal gesagt, treiben Sie es nicht auf die Spitze. Bisher habe ich Sie beim Lagerkommandanten immer in Schutz genommen, aber diesmal dürfte seine Geduld endgültig zu Ende sein. Ihre Späße kann man sehr wohl auch als Insubordination, Meuterei, Unruhestiftung und Verhöhnung der britischen Streitkräfte bezeichnen. Man kommt allmählich zu der Überzeugung, dass Sie ein Werwolf sind!«
    Bernd Sommer erschrak und zuckte zusammen. Schweiß trat auf seine Stirn, eine Zeit lang konnte er kein Wort hervorbringen.
    »Sie … Sie meinen, dass ich zur
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher