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057 - Das Gespensterschloß

057 - Das Gespensterschloß

Titel: 057 - Das Gespensterschloß
Autoren: Peter Randa
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erwehren.
     

     

„Ich werde dir die Kapelle zeigen, aber du darfst kein Wort reden. Versprich es!“
    „Ja.“
    Seitdem sie sich vor dem Kamin in Tristans Arbeitszimmer geküßt haben, ist Djalli wie verwandelt. Vor sich hinträllernd führt sie Bernard beschwingten Schrittes durch die Flure. Alle paar Meter bleibt sie stehen, um ihm lachend die Lippen zu bieten.
    Ihm aber wird immer unbehaglicher zumute, wenn er es auch zu verbergen sucht. Er fühlt sich wie von Flugsand verschüttet, aus dem er sich nicht zu befreien vermag.
    „Weißt du eigentlich, daß die Toten auch Angstgefühle empfinden, ja, daß sie sich vor allem fürchten?“ sagt Djalli unvermittelt.
    „Hör endlich auf, von den Toten zu reden.“
    „Möchtest du sie sehen?“
    Sie sehen? Offenbar wieder so eine der von Gilbert Derais inszenierten Possen. Na schön, warum nicht?
    „Ja, gern.“
    „Zuerst wirst du sie hören.“
    „Aha, sie sprechen also, deine Toten?“
    Es ist wirklich zu absurd.
    „Nein, Bernard, sie stöhnen.“
    Sie wendet sich jäh nach rechts, verläßt die Ahnengalerie, und dieser neue Flur ist nicht mehr stumm. Es ist tatsächlich ein Stöhnen, ein schauerliches, wie er es nie gehört hat. Klagelaute der Hoffnungslosigkeit.
    Djalli hebt einen Vorhang hoch, öffnet das dahinter verborgene Fenster.
    „Hier ist der Friedhof.“
    Zuerst erkennt er nur langsam sich bewegende Schatten, dann nehmen die Schatten menschliche Formen an, nahezu menschliche. Sie haben volle Lippen, glasige Augen. Ein schauerlicher Anblick, denn alle Gesichter. haben einen haßerfüllten Ausdruck.
    Bernard fährt zurück. Djalli betrachtet ihn aufmerksam, sie wartet auf die allzu präzise Frage, die er nicht zu formulieren wagt. Denn er hat keinen Mut mehr, er hat Angst davor, zu wissen, Angst vor der Wahrheit.
    Djalli schließt das Fenster wieder.
    „Gehen wir weiter.“
    Ja, einerlei wohin, nur weg von dieser makabren Vision. Das Mädchen nimmt ihn wieder beim Arm.
    „Ich hätte dir das nicht zeigen sollen, Geliebter.“
    Geliebter? Nach diesem grausigen Erlebnis?
    Er fährt hoch: „Schweig endlich!“
    Er sieht Tränen in ihren Augen, und sofort ist er gerührt, weich und bekümmert.
    „Verzeih mir, Djalli. Das kann mich nicht mehr hindern, dich zu lieben.“
    Wieder bleibt sie vor einem Fenster stehen.
    „Was willst du mir noch zeigen?“
    „Diesmal wird es nicht so schrecklich sein, es wird dich sogar beruhigen. Vergiß auch nicht, daß du morgen abend deine Freunde wiedersehen wirst.“
    „Sind sie da?“
    „Ja.“
    „Und ich kann nichts für sie tun?“
    „Es ist zu spät … aber du kannst dich und zu gleicher Zeit mich noch zugrunde richten.“
    Sie schauen einander eindringlich an. Bernard ist ratlos.
    „Mach auf“, sagt er.
    Vom Fenster aus überblicken sie das Kapelleninnere. Drei Särge stehen vor dem Altar. Jacques liegt im ersten, Marthe im zweiten, beide mit friedlichem, entspanntem Gesicht. Etwas abseits betet Simone auf Knien. Hinter Simone stehen Gilbert Derais und Albertine, sie blicken angestrengt zur Tür, die zum Friedhof führt.
    Dies hier ist kein Possenspiel mehr, sondern eine Darbietung bar alles Gekünstelten. Sie wirkt nicht einmal unheimlich, nein, bewegend nach all dem andern.
    Djalli schließt das Fenster.
    „Vergiß nichts von dem, was du gesehen hast.“
    „Das würde ich gar nicht können.“
    „Dennoch, morgen wird alles ganz anders für dich sein. Aber du hast manches gesehen und wirst zwei Beweise finden, das Kettchen und unsere beiden Namen mit dem Datum, das werden unwiderlegbare Beweise sein.“
    Er hat keine Lust zu protestieren oder nicht mehr den Mut, er weiß es nicht. Sobald sie wieder im Flur sind, greift er nach der Hand des Mädchens.
    „Wenn das eine Komödie ist, dann ist sie abscheulich.“
    „Es ist keine Komödie.“
    „Wirst du wieder zu ihnen gehen?“
    „Wenn du bei Wilhelm bist. Er wird dich zum Portal führen, während ich in die Kapelle gehe.“
    „Und morgen abend wirst du da sein?“
    „Ich schwöre es dir. Aber nun müssen wir uns trennen, Liebster. Ich bringe dich noch in die Küche.“
    „Muß ich denn unbedingt das Schloß verlassen?“
    „Ja.“
    „Für lange?“
    „Eine Stunde.“
    Albernes Gerede … nun ja. Djallis Irresein scheint harmlos zu sein. Der Schuldige ist Gilbert Derais, sicherlich war er es oder auch Tristan, der sie in einer unerträglichen Atmosphäre aufwachsen ließ, so daß sie schließlich vom Wahnsinn erfaßt wurde.
    Wilhelm sitzt
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