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054 - Gucumatz der Allmächtige

054 - Gucumatz der Allmächtige

Titel: 054 - Gucumatz der Allmächtige
Autoren: Edgar Wallace
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gewesen war und er freiwillig in den Slums des Hafenviertels gelebt hatte, ein wild aussehender Harun-al-Raschid, der riesige Summen unter die hungernden Familien verteilte, hatten die Zeitungen häufig Anlaß gefunden, über ihn zu berichten. Niemand wußte, daß der bärtige Mann mit der knallroten Krawatte der Millionär Gregory Beate war. Er gab sich ein Dutzend Namen, wechselte von Woche zu Woche seine Adresse. Bald wohnte er in Limehouse, bald in Poplar; bald bei den Victoria Docks, bald in Eastham. Aber dann hatte er die Philanthropie plötzlich satt- oder vielleicht setzte die Ernüchterung ein. Jedenfalls wandte er sich wieder dem Studium der alten amerikanischen Kulturen zu. Und eines Tages hörte man in jenen Kreisen Londons, in denen man sich für sein Tun und Treiben interessierte, daß er als Leiter einer Expedition nach Lateinamerika gereist sei. Aber selbst diese Leute hatten für eine solche Neuigkeit nur ein müdes Gähnen übrig und meinten, ein Mann mit seinem Vermögen hätte schon vor zwanzig Jahren heiraten sollen. Und man vergaß ihn; denn er war ein Mann ohne alte Bindungen und ein Sozialist dazu. Rote Schlipse, zottige Bärte und leidenschaftliche Überzeugungen sind Leuten sehr lästig, die ihr Glück in dem Glauben finden, daß die Erde sich alle vierundzwanzig Stunden einmal um die eigene Achse dreht, sei die direkte Folge einer stabilen Regierung.
    Sechs Jahre, nachdem Beates Anwalt die Verwaltung der privaten und geschäftlichen Angelegenheiten des Millionärs übernommen hatte, rollte der Fährexpreß langsam in Waterloo Station ein. Die Reihe der Träger, die den Bahnsteig säumte, zerbrach in mehrere Glieder und löste sich ganz auf, als sie vom Strom der Reisenden, der sich aus dem Zug ergoß, überschwemmt wurde.
    Gregory Beale wurde nicht abgeholt. Es war niemand da, der seine schlanke, elastische Gestalt und das tiefgebräunte schmale Gesicht bewunderte; niemand, der mit einem Lächeln auf den freundlich humorvollen Blick der blitzblauen Augen antwortete; niemand, der bemerkte, daß in seinem Haar mehr Grau war als bei seiner Abreise sechs Jahre zuvor. John, der Diener, der sich durch die Menge drängte, um seinem Arbeitgeber das Gepäck abzunehmen, war zu gut geschult, um eine Bemerkung über die Veränderungen zu machen, die Beales strapaziöse Bemühungen im Dienst der Wissenschaft bewirkt hatten; im übrigen hatte er nur noch eine vage Erinnerung daran, wie Beale vor seiner Abreise ausgesehen hatte.
    »Sie sind John Collitt, nicht wahr?« fragte Beale freundlich.
    » Ja, Sir - Sie hatten hoffentlich eine gute Reise. «
    »Durchaus.«
    Er wartete, ruhig und selbstsicher, während ihm der Diener die Tür der glänzenden Limousine öffnete.
    »Nach Hause bitte.«
    Er ließ sich in die weichen Polster sinken und betrachtete mit eifrigem, beinahe knabenhaftem Interesse die Straßen und Gebäude, denen er vor sechs - oder waren es hundert? Jahren keinerlei Bedeutung geschenkt hätte. Verschlang mit gierigem Blick kleine Straßenszenen, die sich ihm im ungewissen Licht der Straßenlampen zeigten, um gleich wieder im dichter werdenden Nebel zu verschwinden. Ein Mann, der einen Karren mit rosigen Äpfeln schob, Zeitungsjungen, die mit schallenden Stimmen ihre Extrablätter anboten, die große, erleuchtete Uhr hoch über dem Parlament, das Grün des Parks.
    Gregory Beale holte tief Atem, als ein Gefühl ihn überwältigte, das süß und schmerzlich zugleich war. Zu Hause! London war die graue Mutter und Frau, die ihn wieder aufnahm - wunderbar selbst in ihrer kränkelnden Gleichgültigkeit, in ihrer Gewaltigkeit, die ihn verschlang wie der Ozean einen Wassertropfen.
    Rasch durchfuhr der Wagen die Dunkelheit des Parks, gelangte auf die Brompton Road, bog links ab und hielt vor einer großen, schönen Villa, die an der Ecke einer breiten Straße stand. Sofort wurde die Tür des Hauses geöffnet, ein gelber Lichtstrahl fiel heraus, als ein behäbiger, kahlköpfiger Butler behende die Treppe heruntereilte.
    »Willkommen daheim, Mr. Beale.«
    Basseys Stimme klang rauh. War das die Rührung, oder war es eine Erkältung? »Danke, Bassey.« Der Butler ging ihm voraus die Treppe hinauf. Seine Diensteifrigkeit hatte etwas Feierliches. Oben trat er zur Seite, um Beale den Vortritt zu lassen.
    »In der Bibliothek wartet eine junge Dame, Sir. Ich wußte nicht recht, was ich mit ihr anfangen sollte. Sie erklärte, sie sei auf eine Annonce hin gekommen, aber ich sagte ihr, daß Sie soeben erst wieder
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