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0533 - Die Drachen-Lady

0533 - Die Drachen-Lady

Titel: 0533 - Die Drachen-Lady
Autoren: Jason Dark
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gab genug junge Männer, die gern mit Maureen ausgegangen wären, aber sie dachte nicht im Traum daran. Sie war schon vergeben, nur eben nicht an einen Mann…
    Sehr leise öffnete sie die Zimmertür, schaute in den schmalen Flur und nach rechts, wo die Treppe begann und sich das einfache Geländer als starrer Schatten abzeichnete.
    Es war ruhig im Haus, obwohl Maureen nicht allein dort wohnte.
    Sie lebte zusammen mit ihrem Großvater, einem ehemaligen Fischer und Steinmetz, der seine Werkstatt nebenan hatte und zumeist Grabsteine herstellte. Aber auch Bildhauerarbeiten. Manche von ihnen brachten ihm ziemlich viel Geld ein, denn er verstand es, seine Motive aus der Natur zu holen und vor allen Dingen aus den Sagen und Legenden Irlands.
    Ernest Cooper war der einzige Mensch, der über Maureens Treiben Bescheid wußte. Nur sprach er nie darüber, er ließ seiner Enkelin die Freiheit. Sie wohnte bereits sechs Jahre bei ihm, denn vor eben sechs Jahren waren ihre Eltern auf mysteriöse Art und Weise ertrunken.
    Leider konnte sie nicht verhindern, daß die Stufen sich bewegten und das Holz dabei knarrte, als sie die Treppe hinabschritt. Ihr Großvater würde sie hören, falls er nicht schlief.
    Viel Hoffnung hatte sie da nicht, denn Ernest Cooper gehörte zu den Menschen, die auch die ersten Frühlingsnächte durchwachten und dem Atem der Natur lauschten, wie er zu sagen pflegte.
    Mit der rechten Hand strich sie über den glatten Geländerknauf.
    Maureen atmete nur durch die Nase. Sie hoffte ja, ungesehen das Haus verlassen zu können.
    Bis in den kleinen Flur kam sie ungesehen. Es roch dort noch immer nach Staub, der von der Werkstatt ständig ins Haus zog.
    Eine Tür stand offen. Es war die zum Schlafraum des Großvaters.
    Aus diesem Zimmer hörte sie das Knarren.
    Leise – laut, leise – laut…
    Ein ewiges Hin und Her, ein bestimmter Rhythmus, der auch dem Mädchen nicht unbekannt war.
    Sie wußte, woher es kam, und sie wußte auch, daß sie keine Chance hatte, ungesehen zu verschwinden.
    Deshalb drehte sie sich nach rechts, schritt leise auf die Tür zu, stieß sie ganz auf und blieb dicht hinter der Schwelle stehen.
    Ernest Cooper saß im Dunkeln. Seine Gestalt war mehr zu ahnen, als zu sehen. Er hockte in seinem so geliebten Schaukelstuhl, der beim Wippen die Bohlen knarren ließ.
    »Du willst noch mal weg, Kind?«
    Maureen senkte den Kopf. »Ja…«
    Ernest atmete tief ein und blies die Luft wieder stöhnend aus. »Ich weiß, daß ich es dir nicht verbieten kann, aber du kennst meine Meinung, Mädchen. Es ist gefährlich.«
    »Ich kann nicht dagegen an.«
    »Natürlich, ich verstehe das. Wenn die andere Welt ruft, sollte man ihr folgen, aber nicht um jeden Preis.«
    »Wie meinst du das?«
    Cooper gab keine Antwort. Dafür bewegte er seinen Arm und fand eine Kordel, die er nach unten zog. Sie war mit einem Lichtschalter verbunden. Die Birne unter dem Schirm einer alten Stehleuchte erhellte sich und strahlte so viel Licht ab, daß es auch über die Gestalt des alten Mannes floß.
    Jemand hatte Ernest Cooper einmal gesagt, er sähe so aus, wie Hemingway in seinen alten Tagen. Der Mann hatte nicht übertrieben. Der weiße Bart, die Haare, die gebräunte Haut und die zahlreichen Falten im Gesicht. Hinzu kamen die etwas verschmitzt blickenden Augen und die sehr bedächtig wirkenden Bewegungen.
    Ernest Cooper hätte wirklich mit Hemingway verwandt sein können.
    »Ist der Ruf so stark?«
    Maureen nickte.
    »Und du kannst dich wirklich nicht dagegen wehren?«
    »Nein, Grandpa. Der Wind, die Luft, der Mond – all das kommt doch zusammen.«
    Der alte Mann atmete seufzend. »Ich weiß es, denn ich war auch mal jung. Es gibt nur wenige, die es spüren, aber du, mein Kind, gehörst dazu. Das liegt nun mal in unserer Familie.«
    »Kann ich denn gehen?«
    »Es fällt mir schwer, dem zuzustimmen, aber ich kann dich nicht halten, mein Kind. Ich nicht.« Er bewegte sich im Schaukelstuhl, und Maureen hörte wieder das Knarren.
    »Danke, Grandpa.« Sie nickte und wollte sich abwenden, aber ihr Großvater hatte noch einen Einwand.
    »Warte noch. Befolge unbedingt meinen Rat, Kind. Du darfst dich nicht den Menschen zeigen.«
    »Ja, das werde ich machen.« Maureen überlegte noch. Eigentlich hätte sie sich gern mit einem Kuß von ihrem Großvater verabschiedet, aber der schaukelte schon wieder in seinem Lieblingsplatz. So hob sie nur die rechte Hand zum Gruß.
    Ihr Großvater hatte mit seinen Worten recht behalten. Der Ruf war an sie
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