Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0531 - Das Grauen von Zagreb

0531 - Das Grauen von Zagreb

Titel: 0531 - Das Grauen von Zagreb
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
meine Herren. Alles Selbstmorde junger Menschen. Es ist bereits durch die westliche Presse gegangen. Vielleicht haben auch Sie darüber gelesen.«
    »Nein«, sagte Suko. »Wir waren in den letzten Tagen unterwegs.«
    Ich kam zum Kern des Problems. »Welche Vermutung haben Sie?«
    »Keine.«
    »Ach.«
    Mitic lächelte. »Offiziell nicht. Unsere Behörden spielen die Fälle nach außen hin hinunter. Nur keine Aufregung oder Panik. Das ist die Devise.«
    »Und was denkt man inoffiziell?«
    »Schlimmes«, sagte Mitic und verzog das Gesicht. Er holte eine Blechschachtel aus der Tasche und nahm eine dünne Zigarre hervor, die er mit einem Streichholz anzündete. Sein Gesicht verschwand hinter drei blaugrauen Rauchwolken. »Unsere Ermittlungen haben ergeben, daß sich die jungen Leute zu einer Sekte zusammengefunden haben und so etwas wie Todessehnsucht spürten.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Der Polizeichef wedelte den Rauch zur Seite und erwiderte:
    »Durch die gefundenen Abschiedsbriefe.«
    »Können wir einen solchen Brief mal sehen?« fragte Suko.
    »Sicher.« Mitic holte ihn aus der Innentasche. »Nur werden Sie ihn nicht lesen können, es sei denn, Sie verstehen jugoslawisch.«
    »Leider nicht.«
    »Darf ich ihn vorlesen?«
    Wir nickten.
    Michael Mitic faltete den Brief auseinander. Wir waren gespannt, das Knistern des Papieres erhöhte diese Spannung noch, und auf der Stirn des Kollegen sahen wir Schweißperlen glitzern.
    »An meine Eltern. Dies ist die letzte Nachricht, die Ihr von mir erhalten werdet. Wenn Ihr diesen Brief gefunden habt und ihn lest, bin ich nicht mehr unter den Lebenden. Ich habe beschlossen, einen Weg zu gehen, der Euch möglicherweise ungewöhnlich, verrückt und auch unverständlich erscheint. Mir aber bringt er die Erfüllung. Ich gehe in ein anderes Reich, in eine andere Welt, denn ich fühle mich sehr von der Dunkelheit angezogen. Dort finde ich meine Heimat, da warten die anderen auf mich, um mich mit offenen Armen zu empfangen. In dieser für Euch fernen, für mich aber nahen Welt finde ich mein Heil. Der Tod schreckt mich nicht, ich will ihn sehen, ich will ihm die Hand schütteln, und ihm soll auch meine Seele gehören. Um einen Gefallen möchte ich Euch noch bitten, den allerletzten. Begrabt mich bitte in meiner schwarzen Kleidung und legt mich in einen schwarzen Sarg. All dies wird mir auf der langen Reise behilflich sein. Eure Tochter Maria…«
    Michael Mitic hatte uns den Brief vorgelesen. Seine Stimme war dabei immer leiser geworden. Jetzt, als er den Brief sinken ließ, holte er ein Taschentuch hervor und putzte sich die Nase.
    Suko und ich sagten nichts. Wir starrten auf die blanke Tischplatte und auch auf den Ascher, an dessen Rand der Zigarillo festklemmte und langsam verqualmte.
    Die Worte des jungen Mädchens waren erschreckend gewesen.
    Wie kam eine Person wie diese Maria dazu, ihr Leben so einfach wegzuwerfen? Das konnte ich nicht begreifen. Wenn ich richtig darüber nachdachte, war der Brief sogar in einem fröhlichen Tenor geschrieben worden, als hätte sich die Person tatsächlich auf ihren Tod gefreut.
    Mitic ließ das Taschentuch wieder verschwinden. »Nun, was sagen Sie dazu?«
    »Erschreckend«, flüsterte Suko. »Auch für mich unbegreiflich.«
    Der Polizist nickte. »Da sagen Sie etwas.« Seine Finger zitterten, als er sich mit beiden Händen durch das Gesicht fuhr. Er knetete seine Haut und gähnte. Dafür entschuldigte er sich bei uns.
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen«, sagte ich leise. »Jedenfalls ist Ihnen der Tod dieses Mädchens nahegegangen.«
    »Da haben Sie wahrlich recht. Es ist nicht so, daß ich bei jedem Fall ähnlich reagiere, aber ich bin hier persönlich betroffen.«
    »Wie das?« flüsterte ich.
    »Diese Maria«, erwiderte er leise, »war meine Tochter…«
    ***
    O verdammt, nur das nicht.
    Suko und ich saßen starr. Wahrscheinlich dachten wir beide das gleiche, ohne es auszusprechen. Ich konnte einfach nicht mehr als ein »Es tut mir leid« sagen.
    »Ja«, sagte er, »damit muß ich leben.« Er räusperte sich. »Heute hätte Maria Geburtstag gehabt, sie wäre neunzehn geworden. Es hat nicht sollen sein. Ich will Ihnen erklären, wie sie gefunden worden ist. Sie lag quer auf einem Grab und hat sich eine Kugel in den Kopf geschossen. Wir fanden eine schwarze Rose auf ihrem Körper. Auf dem Grab stand ein schwarzer Schwan, schwarze Handschuhe lagen neben der Rose. Alles Zeichen und Dinge, die wir auch bei den vorherigen Toten gesehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher