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053 - Manitous Fluch

053 - Manitous Fluch

Titel: 053 - Manitous Fluch
Autoren: A.F.Morland
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Bett seines alten, kranken Vaters leer vorzufinden.
    Er öffnete die Tür zum Krankenzimmer und atmete auf, als er den weißhaarigen, blassen Mann sah. Er zwang sich zu einem Lächeln, grüßte die Patienten, an deren Betten er vorbeiging und beugte sich über den Greis.
    »Guten Tag, Vater.«
    Abel McGuire wandte ihm sein von Falten zerfurchtes Gesicht zu. Die Augen waren glanzlos. Matt nahm er zur Kenntnis, daß sein Sohn gekommen war.
    Der Patient im Nachbarbett, ein dicker Mann, der hier war, um sich gründlich durchuntersuchen zu lassen, sagte zu Gordon McGuire: »Er ißt nichts, verweigert jede Nahrung.«
    Gordon McGuire nickte. »Ich werde ihm gut zureden. Vielleicht hilft es.«
    »Er wird immer schwächer«, sagte der Dicke. Daß jemand keinen Appetit hatte, konnte er nicht verstehen.
    Abel McGuire wies auf einen Stuhl. »Setz dich, mein Junge«, sagte er leise. Er nannte Gordon immer noch »mein Junge«, obwohl dieser schon fünfzig war. Er würde ewig sein Junge bleiben. »Setz dich.«
    Gordon McGuire stellte den Stuhl ans Bett und ließ sich darauf nieder. »Ich höre, du ißt nichts, Vater.«
    »Ich bring' nichts runter.«
    »Du mußt dich zwingen.«
    »Das ist unmöglich, Gordon.« Abel McGuire machte eine müde Handbewegung. »Alle reden mir gut zu. Die Krankenschwestern, die Ärzte. Aber es hat keinen Zweck. Ich fühle, daß meine Uhr bald abgelaufen ist. Ich muß dem Herrn dankbar sein, daß er mich so alt werden ließ. Zweiundachtzig werden nicht so viele. Ich kann sagen, daß ich ein schönes Leben hatte. Mutter war eine brave, anständige Frau, die leider viel zu früh von uns gegangen ist. In dir darf ich einen wohlgeratenen Sohn sehen. Du hast mir niemals Kummer bereitet. Ich konnte immer stolz auf dich sein. Ich habe vieles erlebt in diesen zweiundachtzig Jahren. Angenehmes, Unangenehmes… Aber das Angenehme überwog stets. Schade, daß dir und Verena Kinder versagt blieben. Ein Enkelkind hätte mein Glück vollkommen gemacht, aber ich bin nicht unzufrieden und nicht traurig darüber, daß mein ausgefülltes Leben allmählich zu Ende geht.«
    Gordon McGuire schüttelte den Kopf. »Ach was, Vater, du warst schon öfter krank. Du kommst wieder auf die Beine.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich hier noch mal rauskomme, mein Junge.«
    »Du fühlst dich schlecht, deshalb denkst du so. Wenn sich der Appetit wieder einstellt und du zu Kräften kommst, wirst du ganz anders reden.«
    Abel McGuire ließ diese Behauptung unwidersprochen, aber er teilte die Meinung seines Sohnes nicht. Er wußte, wie es um ihn stand. Es hatte keinen Sinn mehr, zu hoffen. Gordon wollte das natürlich nicht wahrhaben. Er wollte seinen Vater nicht verlieren. Aber einmal mußte es sein. Einmal kommt für jeden die Zeit.
    »Verena läßt dich grüßen«, sagte Gordon McGuire. »Sie ist in Ipswich.«
    »Sie ist eine sehr tüchtige Frau«, sagte Abel McGuire. »Ich liebe sie, als wäre sie meine leibliche Tochter.«
    »Sie liebt dich auch«, sagte Gordon McGuire.
    Sie sprachen eine Weile nichts. Abel McGuire tat sich mit dem Atmen schwer. Seine Lippen waren bläulich gefärbt. Gordon McGuire legte seine Hand auf den dünnen Arm des Greises.
    Abel McGuire sah ihn an und sagte mit schwacher Stimme: »Wir waren all die Jahre nicht nur Vater und Sohn, sondern darüber hinaus auch Freunde, nicht wahr?«
    Gordon McGuire hatte ein unangenehmes Würgen im Hals. Er nickte zustimmend. »Ja, Vater«, krächzte er.
    »Du hattest nie ein Geheimnis vor mir.«
    »Ich glaube, du hattest vor mir auch keines.«
    »Doch, mein Junge. Ein einziges hatte ich in all der Zeit, doch nun sollst du es erfahren…«
    Gordon McGuire blickte seinen Vater überrascht an. »Du willst heute darüber sprechen, Vater? Was hast du mir so lange verheimlicht?«
    »Es ist eine unglaubliche Geschichte«, sagte Abel McGuire so leise, daß es der Patient im Nachbarbett nicht hören konnte. Sein Sohn mußte etwas näher rücken, um die geflüsterten Worte verstehen zu können. Das Sprechen strengte den alten Mann an, doch er schien diese Gewissenslast endlich loswerden zu wollen. »Vielleicht wirst du denken, ich hätte meine fünf Sinne nicht mehr beisammen, aber du kannst mir glauben, daß jedes Wort von dem, was ich dir nun erzählen werde, wahr ist. Ich werde versuchen, nichts wegzulassen, und wäre dir dankbar, wenn du mich nicht unterbrechen würdest.«
    Diese ungewöhnliche Einleitung machte Gordon McGuire neugierig. »Ich höre, Vater«, sagte er
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