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0517 - Zitadelle des Todes

0517 - Zitadelle des Todes

Titel: 0517 - Zitadelle des Todes
Autoren: Werner Kurt Giesa
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geschichtsträchtige oder besonders blutrünstige Ereignisse das Zeitpendel stark anzuziehen. Anders ließ sich kaum erklären, warum sie immer ausgerechnet an solche Schauplätze verschlagen wurden, wo der Tod reiche Ernte hielt.
    »Was ist das?« flüsterte der Namenlose.
    Nicole erklärte es ihm. »Mit dem Sturm auf dieses verhaßte Foltergefängnis begann die Revolution. Siehst du die schwarzen Rußspuren und die Löcher im Mauerwerk? Sie haben das Bauwerk auch beschossen. Die Gefangenen wurden befreit. Der König und der Adel wurden entmachtet, ein Nationalkonvent einberufen. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, wieviel Zeit seither vergangen ist. Vielleicht haben sie den König noch nicht geköpft, vielleicht ist er auch bereits tot.«
    »Den König geköpft? Aber das dürfen sie nicht«, stöhnte der Gnom bestürzt. »Er ist doch der König, man kann ihn doch nicht einfach köpfen! Was wird mein Gebieter dazu sagen?«
    »Ich fürchte, niemand wird ihn fragen. Man wird ihn allenfalls auch auf die Guillotine schicken.«
    »Diese Tötungsmaschine?«
    Nicole nickte.
    »Das ist keine gute Zeit«, stellte der Gnom fest. »Ich mag hier nicht leben. Ohne König kann doch niemand richtig leben. Man sieht’s doch an Eurer Zeit, Mademoiselle. Verzeiht, wenn ich Euch damit zu nahe trete. Aber was habt Ihr von Eurer sogenannten Volksherrschaft? Es gibt nicht viel weniger Kriege, es gibt nicht viel weniger Armut, nicht viel weniger Rassenhaß. Und statt etwas für das Volk zu tun, streiten sie sich alle nur um Ministerposten. Ein König würde ihnen einfach sagen, was zu tun ist, und es würde getan werden. Es würde vielleicht nur wenigen besser ergehen, aber gewiß keinem schlechter.«
    »Wo habe ich diesen Spruch in den letzten Jahren bloß schon mal gehört?« sann Nicole.
    »Vielleicht von meinem Gebieter«, bot der Gnom eine Überlegungshilfe an. »Er ist ein kluger Mann.«
    Nicole verzichtete darauf, dieses Thema jetzt weiter zu vertiefen. »Hast du eine Idee, wo wir eben diesen deinen Gebieter finden könnten? Und natürlich auch Zamorra?«
    »Ich kenne diese Stadt nicht«, seufzte der Gnom. »Vielleicht in einer Schänke?«
    Nicole schüttelte den Kopf. Sie versuchte sich Cristofero vorzustellen, wie er hier auftreten und auffallen mußte. Ein dumpfer Verdacht stieg in ihr auf.
    »Ich glaube, ich weiß, wo wir ihn finden werden«, murmelte sie.
    »Wo?« fragte der Gnom interessiert.
    Nicole deutete auf die Bastille.
    »Da drin«, vermutete sie.
    ***
    »Die nehmen mich nicht ernst«, stöhnte Don Cristofero entgeistert. »Die nehmen mich einfach nicht ernst! Ja, ist denn das zu fassen? In welcher Hölle bin ich hier nur gelandet? Das können sie mir doch nicht antun!«
    Er fühlte sich durch diese Mißachtung tödlich beleidigt. Er war froh, daß weder Zamorra noch sonst jemand aus seinem zukünftigen Bekanntenkreis Zeuge dieser Peinlichkeit geworden war. Zornig und frustriert klaubte Cristofero seine Utensilien vom Boden auf, warf einem zerlumpten Jungen, der die Gunst des Augenblicks nutzen und stibitzen wollte, einen so drohenden Blick zu, daß der sofort die Flucht ergriff, und legte auch den Degen wieder an. Sogar die Waffe hatte man ihm zurückgegeben! Eine schlimmere Demütigung konnte sich Cristofero kaum vorstellen. Da brachten diese Königsmörder Hunderte und Tausende von Adeligen um, die sich zu verbergen suchten und ihn, der sich offen zu erkennen gegeben hatte, ihn ließen sie einfach so laufen!
    Was war bloß aus Frankreich und den Franzosen geworden?
    Aber natürlich, das war die Folge davon, daß das tumbe Volk sich selbst regieren wollte.
    Er trat hinter einen Stein und scheuchte damit ein Rudel Ratten auseinander. Seufzend entfernte er sich und hielt nach einem Ort Ausschau, an dem er nachdenken konnte. Etwas Standesgemäßes würde er in diesen üblen Zeiten sicher nicht finden. Aber möglicherweise hatte eine der Spelunken geöffnet, in denen die Königsmörder ihren Wein soffen, gegen die gottgewollte Weltordnung konspirierten und sich unverschämten Lastern hingaben. Das war’s vielleicht, was ihm jetzt ein wenig Abwechslung bringen mochte. Ein Schoppen Wein trinken, mit liederlichen Maiden schäkern und dabei die Konspirateure belauschen, um herauszufinden, wo ihre schwachen Punkte zu finden waren.
    Zielbewußt strebte er ein Haus an, über dessen Tür ein verrostetes Schild mit der Aufschrift »Zum fröhlichen Zecher« hing. Jemand hatte ein anderes Schild daruntergenagelt: »Zum fröhlichen
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