Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen

0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen

Titel: 0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
noch immer der Geschmack des Glühweins. Er vermischte sich mit dem sichtbaren Atem vor meinen Lippen.
    Ich wohne in einem Hochhaus. Es grüßte wie ein viereckiger Turm, an dessen Seiten zahlreiche Lichter blinkten. In der Dunkelheit hatte sogar ein Haus wie dieses etwas Besonderes an sich, obwohl ich es nicht als meine Heimat betrachtete. Man wohnte eben darin, und das war alles.
    Der Portier stand vor seinem Glaskasten und putzte die Scheibe.
    Er hörte und sah mich, drehte sich um, lächelte.
    »Weihnachtsputz?« fragte ich.
    »Weihnachtseinkäufe, Mr. Sinclair?«
    »So ähnlich.«
    »Ja, auch ich muß etwas tun. Ist sonst alles klar?«
    »Immer.« Ich winkte ihm zu. Er wünschte mir noch einen angenehmen Abend, dann ging ich zum Fahrstuhl.
    In der Wohnung verstaute ich die Tüte mit den Geschenken im Schlafzimmer. Irgendwie hatte mir der Anruf den Tag oder den Abend verdorben. Als Scherz oder Spaß faßte ich ihn keinesfalls auf.
    Der Anrufer hatte genau gewußt, was er wollte, und er hatte mich unter Kontrolle gehabt. Daß ich in den Pub gehen würde, hatte längst nicht festgestanden.
    In der Küche machte ich mir erst einmal einen Kaffee. Etwas essen mußte ich auch. Ich fand noch eine Dosensuppe und schnitt mir zwei Scheiben Brot ab.
    Die Suppe war schnell warm. Im Stehen löffelte ich sie in der Küche. Mit der Warmhaltekanne bewaffnet und einer Tasse in der anderen Hand, betrat ich mein Wohnzimmer, haute mich in den Sessel und wartete auf den Anruf. Die Zeit dehnte sich wie Kaugummi, zog sich hin. Ich schielte des öfteren zum Telefon, aber das rührte sich nicht.
    Trotz des Kaffees spürte ich die Müdigkeit. Die Augen fielen mir fast automatisch zu.
    Vergessen war der Anrufer, ich befand mich in einem regelrechten Tiefschlaf, aus dem mich das Schrillen des Telefons hervorholte, so daß ich hochschreckte.
    Das mußte er sein!
    Bevor ich abhob, warf ich einen Blick auf die Uhr. Drei Stunden vor Mitternacht, eine noch christliche Zeit für ein Telefongespräch.
    »Ja bitte«, sagte ich wieder.
    »Ah, Sie sind zu Hause, Mr. Sinclair. Brav, sehr brav…«
    »Was wollen Sie?«
    »Hören Sie mal genau zu und gehen Sie nicht vom Apparat weg. Alles verstanden?«
    »Ja.«
    Ich hörte zu und schrak zusammen. Was da aus dem Hörer an meine Ohren drang, war ein furchtbarer Schrei. Grauenvoll, als wäre er von einer Person ausgestoßen worden, die sich in Todesangst befand. Ich hörte nicht einmal heraus, ob es sich bei dem Schreienden um einen Mann oder eine Frau handelte, tippte jedoch vom Gefühl her auf einen Mann.
    Wie lange die Person schrie, konnte ich auch nicht sagen. Es kam mir sehr lange vor, bis sie schließlich verstummte und Stille eintrat.
    Eine bedrückende Stille, wie ich fand, und ich vernahm auch kein Atmen.
    »Hallo«, sagte ich mit einer veränderten Stimme. Auf meiner Stirn lag ein dünner Schweißfilm.
    »Haben Sie ihn gehört, Mr. Sinclair?«
    »Er war ja wohl kaum zu überhören.«
    »Sehr richtig. Der Mensch, der den Schrei ausgestoßen hat, mußte furchtbar leiden.«
    »Weiter!«
    »Und so, wie er geschrien hat, wird auch bald Ihr Freund Suko schreien, wenn Sie nicht genau das tun, was wir von Ihnen verlangen. Haben wir uns bisher verstanden?«
    »Akustisch wunderbar«, erwiderte ich und drückte meinen Schreck her unter, den ich bei der Erklärung des Unbekannten bekommen hatte. »Was aber steckt dahinter?«
    »Sie werden es vielleicht erfahren, wenn Sie herkommen.«
    »Und wohin, bitte?«
    »Nach Fillingrow.«
    Ich räusperte mich. »Tatsächlich? Dort befindet sich doch mein Freund und Kollege Suko.«
    »Exakt.«
    »Und was soll ich dort? Ich habe dort keine ›Vettern‹.«
    »Das wissen wir. Sie sollen nur kommen, das ist alles. Nur kommen, schauen und handeln.«
    »Wie nett. Meinen Sie, ich hätte einfach Zeit?«
    »Wenn es um das Leben Ihres Freundes geht, sollten Sie über den eigenen Schatten springen.«
    Da hatte er recht. »Wann erwarten Sie mich?«
    »Morgen Abend. Aber seien Sie pünktlich.«
    »Sagen Sie mir eine Zeit.«
    »Gegen neunzehn Uhr.«
    »Werde ich Suko lebend sehen?«
    »Das hoffe ich doch sehr.« Der Unbekannte räusperte sich. »Hören Sie noch einmal zu, Mr. Sinclair!«
    Den Schrei kannte ich bereits. Trotzdem jagte er mir auch jetzt eine Gänsehaut über den Rücken. In dieses furchtbare Geräusch hinein erklang das harte Lachen des unbekannten Anrufers.
    Dann hörte ich nichts mehr, nur noch diesen langgezogenen Piepton aus dem Hörer.
    Ich schloß sekundenlang
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher