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0511 - Fenster der Angst

0511 - Fenster der Angst

Titel: 0511 - Fenster der Angst
Autoren: Jason Dark
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dem Tod des Mädchens steckte, nur konnte er ihr überhaupt nichts beweisen, was ihn wiederum ärgerte. Eigenhändig hatte er das Grab für Julia geschaufelt, ein viereckiges Loch im Boden, nahe der Kirche, deren graue Mauern den Toten den nötigen Schutz gaben.
    Um das Loch hatten sich die Trauergäste versammelt. Viele waren es nicht. Einige Leute aus dem Ort, die sich freigenommen hatten.
    Der Pfarrer hatte seine Rede bereits gehalten. Er schaute Perneil Davies an, der direkt vor dem Grab stand und den Kopf gesenkt hielt.
    »Willst du die erste Schaufel Erde werfen?« fragte der Geistliche den Totengräber.
    Davies schaute hoch und über den Pfarrer hinweg. Er sah aus, als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders. Sein Blick glitt gegen die mächtigen Bäume auf dem Friedhof. Zwischen dem Astwerk und den Stämmen hing traurig der Dunst.
    Der November war nun mal der Totenmonat. Und das zeigte er den Menschen auch.
    »Was ist nun, Perneil?«
    Davies räusperte sich, bevor er sprechen konnte. »Ja, ich werde es machen.«
    »Dann bitte.«
    Der Totengräber brauchte nur einen halben Schritt nach rechts zu gehen, um den Lehmhaufen zu erreichen. Darin steckte das Spatenblatt; der Stiel schaute wie ein langer Finger hervor.
    Als Perneil ihn umklammerte, zitterte seine Hand. Es überkam ihn wie eine Lawine. Er mußte plötzlich an das Mädchen denken. Er sah sich und Julia in der Schlafkammer, im Wald, auch in der alten Hütte bei den Feldern, und er hatte sich selten so glücklich gefühlt, ebenso wie sie. Die beiden waren eine verschworene Gemeinschaft gewesen.
    »Na, traust du dich nicht, du Hengst?«
    Davies schrak zusammen. Er hatte nicht gehört, daß seine Frau an seine Seite getreten war. Sie stand so dicht bei ihm, daß sie sich fast berührten.
    »Was willst du?«
    »Auch Erde hinabwerfen. Schließlich hat die Kleine jahrelang bei uns gelebt.«
    »Ja, und du hast ihr die Hölle bereitet.«
    »Dafür du den Himmel, nicht?«
    Perneils Finger umklammerten den Schaufelstiel so hart, als wollte er ihn zerbrechen. Am liebsten hätte er seiner Frau das Blatt um die Ohren gehauen, er beherrschte sich. Es waren zu viele Zeugen da, deren Blicke sich auf das Ehepaar gerichtet hatten.
    Die meisten im Ort wußten, daß sie sich nicht besonders verstanden. So etwas konnte einfach nicht geheimgehalten werden.
    Im Dorf redete jeder über jeden.
    Davies zog die Schaufel hervor. Er war ein schwerer Mann, ein etwas düster wirkender Typ, der stets gebeugt ging, als hätte er unter einer schweren Last zu tragen.
    Seufzend atmete er ein. Die kleine Schaufel war mit der schweren, feuchten Erde bedeckt. Eine knappe Drehbewegung reichte. Die Erde rutschte vom Schaufelblatt und landete mit einem dumpfen Laut auf dem Sargdeckel, der unter dem plötzlichen Druck erzitterte.
    Er brach nicht. Die Erde rutschte rechts und links zu Boden, und Wilma umfaßte den rechten Arm ihres Mannes. »Gib die Schaufel her, jetzt bin ich an der Reihe.«
    Pernell gönnte seiner Angetrauten keinen Blick, als er sich umdrehte. Sie hielt die Schaufel jetzt.
    »Bitte«, sagte der Pfarrer. Wie alle anderen Trauergäste fror er auch in der Kühle.
    »Natürlich.«
    Die hexenhafte Frau stach das Schaufelblatt seitlich in den Lehmhaufen, zog es mit der Ladung wieder hervor und schleuderte die schwere Erde in das Grab, wo sie abermals polternd auf dem Deckel landete.
    Auch sie rutschte ab. Sehr langsam, als hätte jemand an der Zeit manipuliert.
    Plötzlich wurde Wilma Davies leichenblaß. Sie sah etwas, sie schaute gegen und in den Sarg.
    Ja, er war durchlässig geworden. Es gab den Deckel noch, und unter ihm lag sie, die Scheintote.
    Deutlich erkannte Wilma ihr blasses Gesicht, das seinen mädchenhaften Zug noch nicht verloren hatte. Sehr traurige Augen lagen in den Höhlen wie in zwei Betten, und mit diesen Augen geschah etwas Unheimliches.
    Zuerst bewegten sie sich, als wollten sie blinzeln und Wilma eine geheime Botschaft übermitteln. Dabei verdunkelten sich die Pupillen, sie bekamen mehr Farbe, die sich immer weiter verteilte und sehr bald die gesamten Augen ausfüllte.
    Dunkel und flüssig.
    Es war wie Sirup, der immer mehr Nachschub bekam, so daß die Augenhöhlen es nicht fassen konnten.
    Die Flüssigkeit quoll über.
    Sie verteilte sich auf der Haut unter den Augen und rann über das bleiche Gesicht.
    Sternförmig verteilten sich die schmalen Rinnsale. Erst jetzt, wo es den Kontrast zwischen den Farben gab, konnte Wilma Davies erkennen, um was es sich
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