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0511 - Fenster der Angst

0511 - Fenster der Angst

Titel: 0511 - Fenster der Angst
Autoren: Jason Dark
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holen. Jetzt trat sie zurück und strich über ihr Gesicht. Sie mußte sich die Kehle freiräuspern. Es machte ihr Spaß, mit der Scheintoten allein zu sein, und sie kniete sich jetzt an der rechten Seite des Sargs nieder.
    »Wie schön du noch bist, du kleine Hure, wie schön! Hast die Kerle verrückt gemacht, aber meine Rache war stärker. Man wird dich lebendig in die kalte Erde einlassen. Du wirst im Sarg liegen und langsam ersticken. Zuerst aber kommt die Angst. Gleichzeitig mit ihr auch der Hunger und der Durst. Du wirst in deiner Verzweiflung anfangen, dein Leichenhemd anzuknabbern. Das kennt man von anderen Scheintoten, deren Särge später geöffnet wurden. Aber zu spät…«
    Sie schnellte fast hoch und kicherte über den Sarg hinweg. Dann ballte sie die Hände zu Fäusten, blieb stehen und suchte das Gesicht der Julia Ashley ab, ohne darin ein Zeichen von Leben zu finden. Es war tatsächlich so starr wie das einer Toten.
    »Und weißt du was? Ich werde an deiner Beerdigung teilnehmen. Morgen wollen sie dich begraben. Sogar neben der Kirche, wie es sich gehört. Alle werden kommen und trauern, nur ich werde mich freuen wie ein kleines Kind. Und jetzt, du kleines Biest, ziehen wir einen Schlußstrich unter dein Leben.«
    Nach diesen Worten bückte Wilma Davies sich und hob den dünnen Sargdeckel hoch.
    Triumphierend hielt sie ihn mit beiden Händen fest. Sie räusperte sich die Kehle frei, damit ihr Lachen klar und deutlich über die Lippen drang. Danach beugte sie sich vor und ließ den Sargdeckel auf dem Unterteil nieder.
    Ein leises Schaben entstand, als sie ihn so zurechtrückte, daß er auch fugendicht schloß.
    Das gelang ihr.
    Sie stellte sich aufrecht hin. Ihr Nicken zeigte Zufriedenheit an.
    »Niemand wird dich sehen, du kleines Biest«, sagte sie mit haßerfüllter Stimme. »Du wirst niemanden mehr verführen. Dafür aber langsam, sehr langsam sterben. Ja, stirb wohl, Julia…«
    Es war ihre Abschiedsrede gewesen. Nach diesen Worten drehte sich Wilma Davies um und ging auf die Tür zu. Sie wollten die Leichenkammer endgültig verlassen.
    Boone und Quiller hatten das Knarren der Tür gehört. Sie drehten sich um und sahen Wilma über die Schwelle treten.
    »Alles in Ordnung?« fragte Boone.
    Die Frau nickte. »Ja, alles. Ich habe euch sogar eine Arbeit abgenommen und den Sargdeckel geschlossen.«
    »Tatsächlich?«
    »Natürlich.«
    »Hast du sonst noch etwas getan?«
    Wilma schüttelte den Kopf. »Nur Abschied genommen«, flüsterte sie. »Nur Abschied.« Sie starrte die beiden noch einmal an, die inmitten der dünnen Dunstschwaden standen und aussahen wie Gespenster. »Es bleibt unter uns. Zu niemandem ein Wort, verstanden?«
    »Du kannst dich auf uns verlassen«, versprach Quiller.
    »Das will ich auch hoffen.«
    Für Wilma Davies war die Sache erledigt und ausgestanden. Sie ging davon, ohne ihren beiden Helfern noch einen Blick zu gönnen.
    Quiller und Boone fühlten sich trotz des Lohns unbehaglich. Sie gaben es nur nicht zu. Ihre Blicke sagten genug.
    Boone ging noch einmal zurück. Der Sarg stand so auf dem Boden, wie sie ihn auch verlassen hatten. Nur etwas hatte sich verändert.
    Jetzt befand sich der Deckel darauf.
    »Mich würde trotzdem interessieren, was sie mit der Toten angestellt hat, als wir draußen warteten«, sagte Quiller.
    Boone drehte sich um. »Lieber nicht. Das sind Dinge, die uns nichts angehen. Wenn morgen die Beerdigung ist, bin ich nicht dabei. Da fahren wir weg und tauschen das Gold gegen Geld.«
    »Einverstanden!«
    Boone hämmerte die Tür zu. Für ihn war die Sache erledigt…
    ***
    Es war Nachmittag, der Himmel zeigte auch an diesem Tag sein düsteres Grau, und durch die fast stehende Luft drang das dünne Bimmeln der Totenglocke.
    Sie rief die Menschen zum Friedhof.
    Julia Ashley wurde zu Grabe getragen. Ein achtzehnjähriges Mädchen, das so plötzlich gestorben war. Eine Person, die im Ort nicht einmal mehr Verwandte hatte. Sie war irgendwann gekommen und bei den Davies’ geblieben. Ein Pflegekind, das von Wilma erzogen und auch ausgenutzt worden war. Ein Aschenputtel, das trotzdem zu einer Schönheit erblühte, worüber die Frau sich geärgert hatte.
    Später war dieser Ärger in Haß umgeschlagen, das jedoch wußten nur wenige.
    Pernell Davies, zum Beispiel, ein bärenstarker, schweigsamer Mann. Er hatte Julia verführt, es war nicht umgekehrt gewesen. Nur hatte Wilma davon Wind bekommen.
    Pernell Davies, der Totengräber, ahnte zwar, daß seine Frau hinter
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