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05 - Der Kardinal im Kreml

05 - Der Kardinal im Kreml

Titel: 05 - Der Kardinal im Kreml
Autoren: Tom Clancy
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Kaffee zu trinken und sich Notizen zu machen.
Die Ergebnisse der vergangenen vier Tage waren erstaunlich positiv. Ein Vertragsentwurf lag auf dem Tisch. Wie alle ähnlichen Papiere der letzten Zeit waren sie von den Sowjets eher als Verhandlungswerkzeug denn als Verhandlungsdokument gedacht. Einzelheiten standen bereits in der Presse, und schon lobten gewisse Kongreßmitglieder im Plenum die Fairneß des Vorschlags. Warum ging man nicht einfach darauf ein?
In der Tat, warum nicht? fragte sich Jack und lächelte ironisch. Verifizierbarkeit war ein Grund. Der andere... Gab es denn einen anderen? Gute Fragen. Warum hatten die Russen ihre Haltung so radikal geändert?
Es gab Hinweise, daß Generalsekretär Narmonow die Verteidigungsausgaben reduzieren wollte, aber entgegen den Vorstellungen in der Öffentlichkeit tat man das nicht bei Kernwaffen. Kernwaffen waren angesichts ihrer Wirkung billig, eine höchst kostengünstige Methode, Menschen zu töten. Ein Kernsprengkopf und seine Rakete waren zwar nicht billig, aber doch sehr viel billiger als die vergleichbare Vernichtungskraft von Panzern und Artillerie. War Narmonow aufrichtig an der Verringerung der Atomkriegsgefahr gelegen? Doch diese Gefahr ging nicht von den Waffen an sich, sondern wie immer von den Politikern und ihren Fehlern aus. War das Ganze nur symbolisch gemeint? Mit Symbolen konnte Narmonow leichter aufwarten als mit Substanz, sagte sich Ryan. Und wenn das Angebot nur symbolisch war - an wen richtete es sich dann?
Narmonow hatte Charisma und Macht. Was für ein Mann war er? Worauf wollte er hinaus? Ryan schnaubte. Dafür war er nicht zuständig. Ein anderes CIA-Team war hier in Moskau damit befaßt, Narmonows politische Verwundbarkeit zu untersuchen. Seine Aufgabe, die leichtere, war es, die technische Seite zu analysieren. Nur kannte er leider die Antworten auf seine eigenen Fragen noch nicht.
    Golowko saß bereits wieder in seinem Büro und machte sich in Langschrift umständlich Notizen. Ryan, schrieb er, würde dem Verhandlungsangebot widerstrebend zustimmen. Und da Ryan das Ohr des Direktors hatte, bedeutete das wahrscheinlich auch, daß die CIA seiner Empfehlung folgen würde. Der Nachrichtendienstoffizier legte den Stift hin und rieb sich die Augen. Mit einem Kater aufzuwachen, war an sich schon schlimm genug, aber wach bleiben zu müssen, um mit ihm den Sonnenaufgang willkommen zu heißen, war mehr, als man von einem sowjetischen Offizier verlangen konnte. Er fragte sich, warum seine Regierung das Angebot überhaupt gemacht hatte und warum die Amerikaner so bereitwillig darauf einzugehen schienen. Selbst Ryan, der es doch eigentlich besser wissen sollte. Was hatten die Amerikaner im Sinn? Wer manövrierte hier wen aus? Eine ausgezeichnete Frage.
    Er kehrte zurück zu Ryan, dem Mann, auf den er am vorhergehenden Abend angesetzt worden war. Weit gekommen war er für sein Alter, ein Rang, der dem eines Obersten im KGB oder GRU entsprach, und erst fünfunddreißig. Was hatte er geleistet, um so schnell nach oben zu kommen? Golowko zuckte die Achseln. Vermutlich Beziehungen, die waren in Washington ebenso wichtig wie in Moskau.
    Mut besaß der Mann - den hatte er vor fünf Jahren bei dieser Geschichte mit den Terroristen in London bewiesen. Außerdem war er ein fürsorglicher Familienvater, etwas, das Russen mehr respektierten, als die Amerikaner glauben wollten - das implizierte Beständigkeit und somit Berechenbarkeit. Und vor allem, dachte Golowko, war Ryan ein Denker. Warum leistete er dann keinen Widerstand gegen einen Pakt, von dem die Sowjetunion mehr profitierte als Amerika? Trifft unsere Einschätzung der Situation etwa nicht zu? schrieb er. Wissen die Amerikaner etwas, das uns unbekannt ist? Oder: Wußte Ryan etwas, das Golowko noch verborgen war? Der Oberst runzelte die Stirn und dachte dann an etwas, das er wußte, Ryan aber nicht. Der Gedanke provozierte ein schwaches Lächeln. Das gehörte alles zu dem großen Spiel.
    * «Sie müssen die ganze Nacht marschiert sein.»
Der Bogenschütze nickte ernst und stellte den Rucksack ab, unter dem er fünf Tage lang geächzt hatte. Er war fast so schwer wie der, den Abdul geschleppt hatte. Der junge Mann stand kurz vorm Zusammenbruch, wie der CIA-Offizier feststellte. Beide Männer suchten sich Sitzkissen.
    «Trinken Sie etwas.» Der CIA-Mann hieß Emilio Ortiz, war ebenfalls dreißig Jahre alt und hatte die Muskeln eines Schwimmers, mit denen er sich ein Stipendium an der University of California
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