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05 - Der Kardinal im Kreml

05 - Der Kardinal im Kreml

Titel: 05 - Der Kardinal im Kreml
Autoren: Tom Clancy
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erkämpft hatte. Ortiz verfügte über eine seltene Sprachbegabung: War er nur zwei Wochen einer Sprache, einem Dialekt oder einem Akzent ausgesetzt gewesen, konnte er als Einheimischer durchgehen. Zudem war er ein einfühlsamer Mann, der die Sitten und Gebräuche der Menschen, mit denen er arbeitete, respektierte. So bot er auch jetzt kein alkoholisches Getränk an, sondern Apfelsaft.
    «Allahs Segen über dieses Haus», sagte der Bogenschütze, als er das erste Glas geleert hatte. Dem Mann stand die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben, aber anmerken ließ er sich nichts. Anders als sein junger Träger schien der Bogenschütze gegen solche menschlichen Schwächen gefeit zu sein.
    «Möchten Sie etwas essen?» fragte er.
«Das kann warten», erwiderte der Bogenschütze und griff nach seinem Rucksack. «Ich habe acht Raketen abgeschossen und sechs Flugzeuge getroffen, aber eines hatte zwei Motore und entkam. Von den fünfen, die ich zerstörte, waren zwei Hubschrauber und drei Jagdbomber. Der erste Hubschrauber, den wir abschossen, war der neue Mi-24 Hind, von dem Sie uns erzählten. Sie hatten recht. Er hat einige neue Ausrüstungen. Hier sind ein paar Teile.» Der Bogenschütze holte sechs grüne Platinen für den Laserdesignator hervor, der nun zur Standardausrüstung des Mi24 gehörte. Der Captain der US Army, der bislang schweigend im Schatten gestanden hatte, trat vor, um sie zu untersuchen. Mit leicht zitternden Händen griff er nach den Gegenständen.
«Haben Sie auch den Laser?» fragte er in ungelenkem Paschtu.
«Er wurde zwar schwer beschädigt, aber ich habe ihn.» Der Bogenschütze drehte sich um. Abdul schnarchte. Er hätte beinahe gelächelt, aber dann fiel ihm ein, daß auch er einen Sohn hatte.
«Sind die neuen Raketen da?» fragte der Bogenschütze.
«Ich kann Ihnen zehn geben. Es ist ein leicht verbessertes Modell mit fünfhundert Metern größerer Reichweite. Und ich habe auch Rauchraketen da.»
Der Bogenschütze nickte ernst, und seine Mundwinkel verzogen sich zu etwas, das in einer anderen Zeit der Beginn eines Lächelns gewesen sein mochte.
«Dann kann ich mir jetzt vielleicht ihre Transportflugzeuge vornehmen. Die Rauchraketen funktionieren vorzüglich, mein Freund: Jedesmal treiben sie die Eindringlinge näher zu mir. Und der Feind hat diese Taktik noch nicht durchschaut.» Aha, kein Trick also, sondern eine Taktik, dachte Ortiz. Jetzt will er also Transportflugzeuge angreifen, hundert Russen auf einen Streich töten. Himmel, was haben wir aus diesem Schullehrer gemacht? Der CIA-Mann schüttelte den Kopf. Das war nicht seine Angelegenheit.
«Sie sind müde, mein Freund. Ruhen Sie sich aus. Essen können wir später. Bitte ehren Sie mein Haus, indem Sie hier übernachten.»
«Es ist wahr», bestätigte der Bogenschütze. Zwei Minuten später war er eingeschlafen.
Ortiz und der Captain gingen die mitgebrachten Geräte durch. Darunter fanden sie ein Wartungshandbuch für die Laserausrüstung des Mi24 und Sprechtafeln. Bis zur Mittagszeit war alles katalogisiert und zum Versand an die Botschaft bereit; von dort aus würde es sofort nach Kalifornien geflogen und einer kompletten Analyse unterzogen werden. Die VC-137 der Air Force hob pünktlich ab. Es handelte sich um eine Sonderausführung der guten alten Boeing 707; das vorgestellte «V» besagte, daß sie für den Transport von VIP-Passagieren gedacht war, und die Kabinenausstattung spiegelte dies auch wider. Jack lag auf der Couch und ergab sich seiner Müdigkeit. Zehn Minuten später wurde er an der Schulter gerüttelt.
«Der Chef will Sie sprechen», sagte ein Teammitglied.
«Schläft der denn nie?» grollte Jack.
Ernest Allen hatte den größten Raum in der Maschine, eine Kabine direkt über den Flügeln mit sechs gepolsterten Drehsesseln. Auf dem Tisch stand eine Kaffeekanne. Wenn ich jetzt keinen Kaffee trinke, dachte Ryan, rede ich bald unzusammenhängendes Zeug. Trinke ich welchen, kann ich nachher nicht mehr schlafen. Nun ja, fürs Schlafen wurde er nicht bezahlt. Ryan goß sich eine Tasse ein.
«Läßt sich das verifizieren?» fragte Allen ohne Umschweife.
«Das kann ich noch nicht sagen», erwiderte Jack. «Es ist nicht nur eine Frage der nationalen technischen Mittel. Die Überwachung der Zerstörung so vieler Raketen -»
«Man bietet uns beschränkte Vor-Ort-Inspektion an», bemerkte ein jüngeres Mitglied des Teams.
«Das ist mir klar», versetzte Jack. «Die Frage ist nur: Bedeutet das überhaupt etwas?» Und die andere Frage
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