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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador
Autoren: Manfred Weinland
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weiß nicht, wie es mir gerade geht, junger Mann«, sagte Carlota in diesem Moment. »Für einen Moment dachte ich, ich würde das Licht schauen, das mich zu Gott führen wird.«
    Toms Schauder vertiefte sich. Er versuchte ein Lächeln. »Ist Ihnen schlecht? Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?«
    Carlota schüttelte energisch den Kopf – und selbst dabei schien sich der Blick ihrer blinden Augen nicht von dem Artefakt zu lösen. »Mir geht es gut. Aber es wäre gelogen zu sagen, alles sei in Ordnung.«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht –«
    »Was haben Sie da, Señor Ericson?«
    »Was meinen Sie?« Tom machte die Probe aufs Exempel. Er trat einen Schritt von Carlota zurück und nahm das Artefakt in die andere Hand, dann streckte er den dazugehörigen Arm so weit wie möglich seitlich von sich. Die Augen der alten Dame folgten dem Artefakt auch dorthin.
    »Da ist etwas! Wahrscheinlich halten Sie es in der Hand! Spielen Sie keine Spielchen mit mir, junger Mann! Es … leuchtet. Es sieht aus wie … wie ein riesiger Diamant. So viele Facetten … Und in jeder spiegelt sich … die Unendlichkeit …« Carlota rang nach Worten.
    Tom war wie elektrisiert. »Sie können das Artefakt sehen? Wie ist das möglich?«
    Maria Luisas Großmutter schüttelte den Kopf. »Ich bin genauso ratlos wie Sie, Señor. Glauben Sie mir. Darf ich … darf ich es mal haben?« Sie streckte die Hand gezielt in die Richtung, in der sich das Artefakt befand.
    Tom zögerte nur einen Moment, dann nahm er Carlotas Hand und legte das Artefakt hinein.
    Sie schloss die Finger darum, doch ihre Miene wurde nur noch zweifelnder. »Ich fühle etwas Festes, aber … es wiegt nichts. Wie kann das sein?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was ist es? Ein … Edelstein?« Carlota hob das Artefakt so nah an ihr Gesicht, dass das lichtschluckende Feld vorübergehend sogar ihren Kopf verschwinden ließ.
    »Im weitesten Sinne vielleicht. Ich kann noch nicht viel darüber sagen, tut mir leid. Im Gegensatz zu Ihnen kann ich den Gegenstand nämlich nicht sehen.«
    »Was?« Ihre Verwirrung nahm zu. »Was heißt das?«
    »Das Ding ist von Dunkelheit umgeben«, erklärte Tom. »Im Zentrum ist sie so absolut, dass man sie nicht durchdringen kann. Nur im grellen Scheinwerferlicht werden zumindest die Konturen sichtbar.« Ein Gedanke kam ihm. »Sehen Sie es so deutlich, dass Sie es mir beschreiben können?«, fragte er. »Es soll angeblich dreizehn gleiche Flächen haben, aber das ist physikalisch nicht möglich.«
    Carlota runzelte die Stirn. »Die Flächen sehen wirklich gleich aus … aber ich kann sie nicht zählen. Es ist, als würden sie vor meinem Blick … fliehen. Entschuldigen Sie, das muss sich albern anhören, aber ich finde keine besseren Worte dafür.« Sie wandte den Blick und stöhnte. »Es bereitet mir Kopfschmerzen. Bitte nehmen Sie es zurück.«
    Tom nickte, bevor ihm bewusst wurde, dass sie es nicht sehen konnte. »Aber natürlich«, sagte er, nahm der alten Dame das Artefakt aus der Hand und verstaute es wieder im Lederbeutel.
    »Vorhin kam in den Nachrichten eine Meldung über den Hotelbrand, bei dem Luisas und Alejandros Vater umgekommen ist«, wechselte Señora Zafón unvermittelt das Thema. Sie wandte ihr Gesicht dorthin, wo sie Tom vermutete, was ihr aber nicht so perfekt gelang wie zuvor die Ausrichtung auf das Artefakt. »Nach unserem Gespräch gestern Abend dachte ich, mein Schwiegersohn wäre in den Flammen umgekommen. Aber die Behörden sprechen davon, dass er erschossen wurde! Ich muss zugeben, ich bin etwas enttäuscht. Wollen Sie mir nicht endlich die Wahrheit sagen?«
    Tom war unangenehm berührt. »Wir wollten Sie nur schonen.«
    »Luisa müsste eigentlich wissen, dass ich nicht geschont werden muss und es auch nicht will. Die Wahrheit ist für mich nicht halb so schwer zu ertragen wie der Versuch, sie mir vorzuenthalten. Außerdem kannte ich Álvaro ja. Ich wusste, was für ein entsetzlicher Mensch er war und dass es einmal ein schlimmes Ende mit ihm nehmen würde.«
    Tom suchte noch nach passenden Worten, da stand Maria Luisa plötzlich im Raum, völlig aufgelöst.
    »Ich kann ihn nirgends finden!«, rief sie. »Ich hatte gehofft, er wäre vielleicht hier …«
    Es war nicht schwer zu erraten, wen sie meinte.
    »Alejandro?«, fragten Tom und Carlota wie aus einem Mund.
    Maria Luisa nickte sorgenvoll. Dann wandte sie sich um und stürmte wieder aus dem Zimmer.
    »Warte!«, rief Tom ihr nach. »Warte, ich helfe dir!«
    Mit
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