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0496 - Das Knochenhaus

0496 - Das Knochenhaus

Titel: 0496 - Das Knochenhaus
Autoren: Jason Dark
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blieb er stehen und horchte in das Haus hinein.
    Kann tote, anorganische Materie leben?
    Normalerweise nicht, hier war es jedoch der Fall. Das Haus lebte, obwohl es leer war. Nicht das Holz, das arbeitete und sich hin und wieder mit einem leisen Knacken meldete, hier war etwas ganz anderes entstanden.
    Ein böses, ein grausames Leben, etwas, das schon lange hier lauerte, auch geweckt worden war und sich nur nicht traute, an die Oberfläche zu dringen.
    Außen Holz, innen Holz. Der Mann ließ noch einmal seine Lampe aufblitzen. Der Strahl fiel über einen blanken Boden, wo die Bohlen dicht an dicht nebeneinander lagen. Es gab kaum Ritzen. Wer das Haus hier gebaut hatte, war ein Meister seines Faches gewesen.
    Er ließ den Strahl wandern.
    Lautlos schob sich der Lichtfinger durch die leere Diele, bis er eine Stelle erreichte, wo sich dunkle Flecken auf dem Boden abzeichneten, die aussahen wie dicke, zerplatzte Blutstropfen.
    Genau auf diesen Ort hielt der Mann den Strahl der Lampe gerichtet. Durch die Nase holte er Atem, bevor er sich mit schleichenden Schritten wieder in Bewegung setzte.
    Diese Flecken hatten es ihm angetan. Er wollte sie überprüfen, er wollte sie genau schmecken, und vielleicht bestätigte sich dann sein Verhalten. Da er dünne Ballettschuhe trug, waren seine Schritte kaum zu hören. Diesmal bewegten sich auch die Bohlen nicht. Sie hielten seinem Gewicht stand, und er blieb dicht vor den dunklen Flecken stehen, bückte sich und nickte.
    Es war kein Blut!
    Blut besitzt normalerweise eine rote Farbe und ist auch nicht so schleimig.
    Diese Spuren hier bestanden aus einem grünlichen Schleim, der noch verdünnt wirkte, als hätte ihn jemand mit Wasser verlängert. Der Mann tauchte die Spitze seines rechten Zeigefingers hinein, probierte den Schleim wie ein Rauschgiftprüfer mit der Zungenspitze und nickte.
    Das genau war es.
    Er hatte richtig vermutet. Sie waren also hier gewesen und hatten sich im Haus umgesehen. Alles stimmte, die Gerüche waren echt, die Legenden stimmten. Dieses Haus war leer und doch bewohnt.
    Es lauerte in den Wänden, es war der Atem des Unheils, der Odem einer uralten, längst vergessenen Zeit, die allerdings durch den Schleim ihre Spuren hinterlassen hatte.
    Noch mit eingeschalteter Lampe in der Hand drehte er sich herum. Der Strahl wanderte weiter über den Boden, fand auch die Treppe als Ziel und kroch die Stufen hoch.
    Über eine leere Treppe. Auch hier herrschte das helle Holz vor. Es wirkte so, als wäre es frisch geschnitten oder gebeizt worden.
    Weitere Schleimspuren entdeckte er auf den Stufen nicht. Wer immer dieses Haus auch vor ihm betreten hatte, er war nicht über die Treppe in die oberen Etagen gegangen.
    Aber wo war dieser Fremde hergekommen? Wie hatte er ausgesehen? Gehörte er tatsächlich zu denjenigen, die der Eindringling in dem Haus vermutete?
    Er mußte einfach die Probe aufs Exempel machen. Die Tasche hatte er bei sich getragen. Wieder stellte der Mann sie ab und holte etwas hervor, das Ähnlichkeit mit einem Stift hatte. Es war jedenfalls lang und eckig, zudem von einer dunklen Farbe.
    Der Mann nahm den Stift zwischen zwei Finger und kniete sich neben den Schleim. Mit genau abgezirkelten Bewegungen malte er ein Dreieck um die Spur und umschloß das Dreieck mit einem Kreis.
    Kaum hatte er das Stück Kreide zurückgezogen, als es geschah. Die Masse fing an zu zischen, gleichzeitig erhitzte sie sich und brodelte auf, wobei sie noch einen Qualm abgab, der widerlich roch und sich kratzend auf die Schleimhäute legte, so daß der Mann gezwungen war, seinen Oberkörper zurückzubeugen.
    Er stand sogar auf, ging einige Schritte zur Seite und flüsterte: »Ich habe es mir gedacht. Ich habe es mir gedacht.« Er schaute auf die Kreide. »Es war ein guter Test, die Magie steckt im Schleim. Sie sind tatsächlich gekommen.« Er atmete tief durch, drehte sich und hatte das Gefühl, beobachtet zu werden.
    Es war nur der Qualm, der die Kopfhöhe erreicht hatte und allmählich zerflatterte.
    Noch einmal leuchtete der Mann den Rest an, der sich innerhalb des magischen Zeichens befand.
    Ein brauner, stinkender Fleck war auf dem hellen Boden zurückgeblieben. Keine Spur mehr von dem, was zuvor dort gelegen hatte.
    Mit dieser letzten Tat war seine Aufgabe längst nicht beendet. Im Gegenteil, sie begann erst. Dieses Haus war ein Gebäude, das man nicht mit normalen Maßstäben messen konnte. Es besaß sein Geheimnis. Ein grausames und schlimmes Rätsel. Dumpf brütete es in
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