Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0494 - Fenrirs Wacht

0494 - Fenrirs Wacht

Titel: 0494 - Fenrirs Wacht
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
Lassen wir ihn also in Ruhe. Sieh mal, da brennt jetzt Licht. Jetzt geht er ins Bad, spuckt den Cognac und sein Abendessen wieder aus und fällt dann neben Jeanette ins Bett.«
    »Und wenn nicht? Roland, es gibt Streßsituationen, die schlagartig stocknüchtern machen, weil Adrenalin stärker ist als Alkohol, und vielleicht holt er sich jetzt doch seine Donnerbüchse und geht auf Wolfsjagd!«
    »Na schön, dann bleibst du hier vor der Haustür und paßt auf, und ich postiere mich hinter dem Haus. Wenn er ’rauskommt, nehmen wir ihm das Gewehr weg, damit er in seinem betrunkenen Zustand damit keinen Unfug anrichtet, klar?«
    »Klar.«
    André blieb vor dem Haus stehen. Roland ging nach hinten, um dort Posten zu beziehen.
    Die Sekunden, die Minuten verstrichen, ohne daß etwas geschah. Oben in der Mietwohnung brannte nach wie vor das Licht, aber das bedeutete nichts. Moreau hatte es vielleicht nur nicht mehr geschafft, es auszuschalten, ehe er umgekippt war.
    Dann:
    Ein gellender Schrei!
    Etwas krachte ohrenbetäubend. Zweimal hintereinander. Noch ein Schrei, stille.
    André rannte nach hinten, von wo die Geräusche kamen. Im ersten Moment sah er nichts außer dem Lichtbalken, der aus einem Fenster kam. Im Fenster stand Moreau, seine doppelläufige Schrotflinte in der Hand. »Ich hab’ ihn erwischt«, röhrte Moreau in die Nacht hinaus.
    Hinter ihm tauchte Jeanette auf; sekundenlang erhaschte André das Bild einer hübschen Frau im durchsichtigen Négligé, die Pierre vom Fenster zurückzog. Jetzt gingen auch im Parterre Lichter an.
    André sah ein paar Schuhe.
    Er sprang hin, kauerte neben Roland nieder. Seine Hände faßten in Blut.
    Jemand tauchte auf, zitternd vor Nachtkälte, eine Taschenlampe in der Hand. Bernard Remont, der Hausbesitzer. Der Lichtkegel erfaßte Roland.
    Nicht die Schrotschüsse, sondern etwas anderes hatte ihm die Kehle zerrissen. Roland war tot.
    ***
    Fenrir erstarrte. Unvermittelt sah er den Mann, dessen Aura er gespürt hatte. Er sah eine hagere, blasse Gestalt in einem dunklen Mantel. Trotz der Kälte stand keine weiße Atemfahne vor dem Gesicht des Mannes. Er hielt einen langen Stab mit einem kunstvoll verzierten, gewundenen Endstück in der Hand, einem Bischofsstab nicht unähnlich.
    Aber mit der Kirche hatte der Mann nichts, absolut nichts zu tun. Fenrir fühlte das schwarze Blut, das in seinen Adern kreiste, fast körperlich.
    Ich erkenne dich, sandte Fenrir ein telepathisches Signal zu dem Fremden. Du bist der Herr der Wölfe. Weshalb bist du zur Erde gekommen ?
    Er hatte selbst nicht mit einer Antwort gerechnet. Aber der meneur des loups sprach zu ihm.
    »Ich will dich, Fenrir!«
    ***
    Naomi empfand plötzlich Angst. Sie wußte, daß dieser fremde Wolf eine Gefahr für sie darstellte. Er war anders als Fenrir; er war ein wildes Tier.
    Aber wie war das möglich? Es gab in den nebeneinanderliegenden Departements Rhône und Loire keine Wölfe mehr, schon seit einer kleinen Ewigkeit nicht. Und es hatte auch keine Radiomeldung gegeben, daß Wölfe aus einem benachbarten Zoo ausgebrochen sein sollten.
    Wo war Fenrir? Woher kam dieser fremde Wolf?
    »Geh weg«, flüsterte sie. »Du bist nicht mein Freund. Geh weg, schnell!« Dabei war sie vor Angst wie gelähmt. Später wunderte sie sich darüber, daß sie überhaupt zu diesem wilden Tier hatte sprechen können. Warum war sie nicht einfach zurückgewichen, hatte die Tür hinter sich verriegelt?
    Plötzlich wandte der fremde Wolf sich ab und verschwand wieder im Unterholz.
    »Fenrir«, flüsterte Naomi, und ihre Gedanken schrien laut nach dem vierbeinigen Freund.
    Aber Fenrir kam nicht zu ihr, um sie vor einem Feind zu beschützen, der die Jagd scheinbar aufgegeben hatte…
    ***
    Nichtstun war schön.
    Zu wissen, daß es draußen frostkalt war, drinnen aber ein knisterndes Kaminfeuer Wärme verströmte, war noch schöner.
    Am schönsten war es, vor diesem Kaminfeuer auf dem Fell zu liegen, hin und wieder am Weinglas zu nippen und sich nackt an Zamorra zu schmiegen, um das zärtliche Streicheln seiner Hände und seine sanft küssenden Lippen überall auf der bloßen Haut zu genießen.
    Das zumindest war Nicole Duvals feste Überzeugung, und Professor Zamorra war der gleichen Ansicht. Der Tag hatte am späten Mittag mit Liebe und Zärtlichkeit begonnen, und wenn es nach ihnen beiden gegangen wäre, hätte es für den Rest des Tages so bleiben können.
    Selten genug fanden sie dafür die nötige Ruhe.
    Erst vor ein paar Tagen waren sie von der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher