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0485 - Whisper - der Staubgeist

0485 - Whisper - der Staubgeist

Titel: 0485 - Whisper - der Staubgeist
Autoren: Jason Dark
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verhielt es sich mit den Menschen?
    Bestanden sie nicht auch aus Materie, wie der Lehrer es so oft sagte? Selbst der alte Remi erinnerte sich daran. Er war als Erwachsener noch in die Schule gegangen, um einiges nachzulernen, aber der Lehrer hatte nie von den geheimnisvollen Dingen dahinter gesprochen. Staub war für ihn Staub. Daß es magischen Staub gab, hätte er wohl nie verstanden, auch wenn man es ihm gesagt hätte.
    Und dieser verdammte Staub brachte eine Botschaft. Eine furchbare Sprache, die aus Tod und Vernichtung bestand.
    Weshalb Remi plötzlich schrie, wußte er selbst nicht. Er mußte es einfach, aber sein Schrei ging im Donnern der mächtigen Gewalten einfach unter.
    Für den Staub gab es keine Grenzen. Die Macht des Windes, der ihn begleitete, hämmerte ihn gegen die Wände und Mauern. Sie lösten sich auf, vereinigten sich mit ihm, und das gewaltige Heulen schien aus der tiefsten Hölle zu stammen. Tausende von Monstern jaulten gleichzeitig, hatten ihre Mäuler geöffnet, um eine Welt zu vernichten.
    Der Ort Alcoste wurde gefressen.
    Dächer verschwanden ebenso wie Mauern. Dann hatte der böse Staub freie Bahn. Er griff sich die Menschen, die sich verkrochen hatten, die in den Kellern hockten, in den Zimmern oder kleinen Kammern und mit ansehen mußten, wie sich ihre Häuser um sie herum auflösten.
    Auch Remi wurde erwischt.
    Noch hatte er sich festklammern können, aber schon bald weichte das Gestein, um das er seine beiden Hände gelegt hatte, völlig auf, und der Staub knirschte zwischen seinen Fingern. Er griff ins Leere!
    Der Staub fiel ihn an wie ein hungriges Tier. Er schnappte zu. Es gab nichts, was zu schützen gewesen wäre. Kleidung konnte ihn nicht aufhalten. Seine winzigen Körner hatten sich zu einer prasselnden Masse vereint, die Schmerzen verursachten.
    Abermals schrie der alte Mann.
    Es war der letzte Schrei in seinem Leben. In der Bibel hieß es: Aus Staub bist du entstanden, zu Staub wirst du werden.
    Dieser Ausspruch wurde für Remi schon vor seinem Tod zur schrecklichen Wirklichkeit.
    Der alte Mann löste sich auf, wie ein Vampir, den jemand gepfählt hatte.
    Und so erging es allen Lebewesen in Alcoste. Whisper, der Staubgeist, hatte seine erste grausame Spur hinterlassen…
    ***
    Es wäre eigentlich ganz einfach gewesen.
    In London ins Flugzeug steigen, bis Paris fliegen, dort umsteigen, in Toulouse landen und den Rest der Strecke mit dem Leihwagen fahren.
    So hatten Suko und ich es uns auch vorgestellt, aber der Abbé war dagegen gewesen.
    Um ihn ging es schließlich.
    Abbé Bloch, der blind gewordene Führer der Templer, hatte es sich endlich überlegt und es geschafft, London zu verlassen, um in Alet-les-Bains seine neue Heimat zu finden. Dort befand sich auch die Kathedrale der Angst, wo das silberne Skelett Hector de Valois’ lag, zusammen mit dem Siegel des Richard Löwenherz, das Suko und ich in einem alten Brunnen in Jugoslawien gefunden hatten.
    Wir hatten nichts dagegen gehabt, nur war der Abbé plötzlich mit einem Vorschlag herausgerückt, der uns überhaupt nicht gefiel, wovon er sich aber nicht abbringen lassen wollte.
    »Wir werden mit dem Zug fahren!«
    Wir hatten versucht, ihm diesen Vorschlag auszureden, er ließ nicht mit sich sprechen.
    Bis Toulouse wollte er fliegen, dann aber nicht in einen Wagen steigen, sondern mit der Bahn fahren.
    »Weshalb?«
    Suko und ich hatten ihm die Frage gestellt. Der Abbé hatte nur gelächelt und keine Antwort gegeben. Er wollte später mehr darüber sagen, hatte er uns erklärt.
    Später! Wann würde das sein? Ein Begriff wie Kaugummi – dehnbar, sehr lang. Bis Paris jedenfalls hatte er sich nicht erklärt. Im Flugzeug war er praktisch still gewesen. Seine Augen lagen verborgen hinter den dunklen Gläsern einer Brille, dennoch fühlte er sich nicht waffen- oder hilflos.
    Der Abbé hatte von uns eine Waffe bekommen!
    Es war der Würfel!
    Dies ging zurück auf meine Initiative. Ich hatte die anderen davon überzeugen können, daß es besser wäre, wenn wir den Würfel abgaben. Der Abbé war einfach eine zu wichtige Person innerhalb unseres Kampfes gegen die Mächte der Finsternis. Da ich sein Blindwerden nicht hatte verhindern können, obwohl ich alles versuchte, waren in mir Schuldgefühle entstanden. Ich hatte einfach etwas tun müssen und war nach langem Überlegen dazu gekommen, dem Abbé den Würfel zu geben.
    Jetzt besaß er ihn.
    Auf dem Bahnhof in Toulouse hatten wir einen Aufenthalt von einer Stunde.
    Alet-les-Bains
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