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0481 - Laurins Amazonen

0481 - Laurins Amazonen

Titel: 0481 - Laurins Amazonen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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verstrichen war, stoppte den Wagen wieder. Zamorra tauchte wieder in die Schankstube ein.
    »Sieht ziemlich traurig aus heute abend«, sagte er. »Mostache, was hältst du davon, deine Schnapsbude dicht zu machen und mit uns zum Château zu kommen? Raffael schmeißt ein paar Holzscheite in den Kamin, und…«
    »Kamin? Feuer? Hitze? Nicht auch noch das«, ächzte Mostache. »Nein, Professor. Danke für die Einladung, aber ich bleibe lieber hier. Daß mein geliebter Eheparasit zur Kur ist, muß ich nutzen. Da gibt’s ein paar vollendete Tatsachen, vor die ich sie stellen will, wenn sie wieder hier ist, und außerdem habe ich mir aus Feurs ein paar Videos besorgt, die ich mir heute abend in Ruhe ’reinziehen will… später mal, ja?«
    »Einverstanden, und nicht vergessen!« sagte Zamorra und verschwand wieder nach draußen. Nicole blieb in der Tür stehen und grinste Mostache jungenhaft an. »Um dich auf deine Videos einzustimmen, und überhaupt, damit du mal wieder was Hübsches siehst - Zamorras Gesetzesentwurf ist nicht mal der Schlechteste.« Blitzschnell schlüpfte sie aus dem Hemd, präsentierte sich Mostache für wenige Sekunden in hüllenloser Pracht und war dann so schnell wie ein geölter Blitz im Auto verschwunden. Daß Mostache etwas murmelte, das wie »verflixtes Rabenaas« klang, bekam sie schon nicht mehr mit.
    Aber sie hätte es ihm auch nicht übelgenommen.
    ***
    Balthasar Andergassen, von Beruf Touristennepper und Fremdenführer, hatte das nervtötende Klicken japanischer Kameras noch im Ohr, als er die sympathischen Pauschalreisenden wieder im Kleinbus verpackt und sich für ein paar Sekunden der Ruhe an die Blechwand des Fahrzeuges lehnte, um sich vom Streß zu erholen. Daß sie stets höflich und verständnisvoll waren und pausenlos lächelten, versöhnte ihn nicht so sehr mit seinem Schicksal wie die ausgezeichneten Trinkgelder, welche die Söhne Nippons verteilten. Und weil Balthasar Andergassen in dieser Saison fast ausschließlich japanische Touristen zu betreuen hatte, kam er seinem Traum immer schneller nahe, demnächst seinen alterschwachen Lancia gegen einen brandneuen S-Klasse-Mercedes eintauschen und seinen Vertragshändler stinkreich machen zu können. Daß der erträumte 300 SEL nicht in seine Garage paßte, daran verschwendete er ebensowenig Gedanken wie daran, daß er, um diese Garage zu erreichen, das Schlachtschiff auf Rädern erst einmal durch die schmalen Seitengassen seines Heimatdörfchens Appiano zu lenken hatte -und garantiert steckenbleiben würde.
    Aber das war ohnehin noch Zukunftsmusik, und Andergassen sah zu dem Felsmassiv hinüber, das er seinen japanischen Schutzbefohlenen zum Abschluß der Tagestour gezeigt hatte, die von der Ausgangsbasis Meran nach Bozen führte und dann hinauf zum Karer Paß, zum Karer See, der kristallklar im Sonnenlicht funkelte, und dann waren es nur noch ein paar Dutzend Meter zum Parkplatz, von dem aus man eine prachtvolle Aussicht auf den »Rosengarten« hatte; eine Felsformation, die im abendlichen Alpenglühen tatsächlich wie ein titanisches, wundervoll arrangierts Rosenbeet aussah.
    Dabei war alles nur nackter, kalter Stein, in welchem nicht nur ein Bergsteiger umgekommen war, weil er zur falschen Zeit aufgestiegen war. An die alte Sage, daß der Zwergenkönig Laurin hier seine Hände im Spiel gehabt hatte, glaubte Andergassen ebensowenig wie an fliegende Untertassen.
    Ein helles Objekt jagte am Himmel entlang, passierte den Standort von Balthasar Andergassens Touristenbus in gut drei Kilometern Entfernung und geringer Höhe, und Andergassen war heilfroh, daß die Touristen, die ihm die italienische Partnerfirma des internationalen Reisebüros in Meran aufs Auge gedrückt hatte, diese Erscheinung nicht sehen konnten. Andergassen hätte dann nur Fragen beantworten müssen, die er nicht beantworten konnte.
    Er wußte ja selbst nicht, was das für ein Ding war, das hell leuchtend seine Spur über dem Abendhimmel zog und dann dort in der Felswand verschwand und erlosch, wo neben den drei Türmen der Rosengarten die Felswand prägte.
    Daß er soeben Zeuge des Beginns einer Katastrophe geworden war, ahnte der südtiroler Fremdenführer nicht einmal.
    ***
    Raffael Bois lenkte den Wagen die Serpentinenstraße zum Château hinauf. Nicole, der das Cadillac-Cabrio, Baujahr 1959, mit riesigen, raketenartigen Heckflossen, für die 90er Jahre geradezu unanständig viel Chrom und mit einem gigantischen, lautlosen, aber benzinfressenden V-8-Motor,
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