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0472 - Der Tiefsee-Teufel

0472 - Der Tiefsee-Teufel

Titel: 0472 - Der Tiefsee-Teufel
Autoren: Werner Kurt Giesa
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galt das eherne Gesetz, daß der Kapitän entschied - und auch die Verantwortung dafür übernahm. Und sie alle kannten Boyd Randall gut genug, um zu wissen, daß er keine leichtfertigen Entschlüsse traf.
    »Bist du sicher, daß er hätte auftauchen müssen?«
    »Ich habe seinen Luftvorrat geprüft, und ich habe ihm selbst ausgerechnet, wie tief er gehen durfte und welche Auftauchzeiten blieben. Er hat alles überzogen. Es muß ihm etwas zugestoßen sein.«
    Randall nickte. »Du weißt, daß ich sechs oder sieben Minuten brauche, um nach unten zu gehen? Bis dahin kann er tot sein.«
    Laury nickte stumm.
    Randall prüfte sein Decometer, das ihm die persönlichen Zeiten angab, die er benötigte, um in die gewünschte Tiefe und wieder zurück zu kommen. Danach konnte er ausrechnen, wieviel Zeit ihm zu Verfügung blieb, bestimmt durch den Sauerstoffgehalt der Aqualunge.
    Er nahm das Mundstück zwischen die Lippen und zog sich die Taucherbrille vor das Gesicht. Vermutlich würde er nur noch einen Toten bergen können. Er kannte Johns Risikobereitschaft ebenso wie Laury, und er verwünschte Johns Leichtsinn im gleichen Maße wie Laurys Bereitschaft, diesen Leichtsinn mit zu tragen. Warum hatte sie nicht früher Alarm geschlagen?
    An sich waren sie alle leichtsinnig. Niemand sollte allein in diese Tiefe vorstoßen. Sie sollten aus Sicherheitsgründen immer zu zweit tauchen. Aber sie waren nur eine vierköpfige Mannschaft, und eine Person mußte grundsätzlich im Ruderstand Wache halten. Auch wenn der Schleppanker die Yacht hielt, durften sie sich nicht darauf verlassen, daß die PRISCILLA, wie Randall das Boot nach einer verflossenen Freundin benannt hatte, die Position hielt. Zudem konnten Funksprüche einlaufen, die beantwortet werden mußten… und wenn dann die nötigen Ruhepausen für jeden von ihnen einkalkuliert wurden, konnten sie nur ein paar Stunden am Tag nutzen, wenn sie grundsätzlich zu zweit tauchten. So hatte es sich eingespielt, daß man allein nach unten ging.
    Leute vom Schlage Beaucassers hatten natürlich die Mittel, eine große Crew zu finanzieren und die Taucher mindestens als Zweier-Teams nach unten zu schicken…
    Jetzt rächte es sich möglicherweise, daß die Randall-Crew sich durch das Auftauchen des ›Missouri-Monsters‹ in zeitlichen Zugzwang hatte bringen lassen. Ein Mann wie Beaucasser konnte einen Fehlschlag finanziell verkraften. Für Boyd Randall ging es um die Existenz. Und jetzt fraß an ihm der Gedanke, daß er dadurch vielleicht den Tod John Dolands verschuldete, der sicher ohne diesen Zeitdruck längst wieder aufgetaucht wäre…
    Insgeheim gab Randall dem Mann keine Chance mehr, gerade weil er Dolands Risikobereitschaft kannte. Doland mußte sich verkalkuliert haben. Oder er hing irgendwo fest. Aber bis Randall bei ihm in der Tiefe war, war Doland wahrscheinlich längst tot.
    Randall kletterte über die Reling der PRISCILLA und ließ sich ins Wasser fallen. Er tauchte sofort unter.
    Etwas umschlang ihn blitzschnell und wollte ihn nicht mehr loslassen…
    ***
    Damals - Oktober 1593
    Kapitän Geronimo da Santarém, den sie den Einäugigen nannten, hob die linke Hand. Das war das Zeichen, die Segel zu setzen. Die Laderäume der STERN VON LISSABON quollen über von Schätzen, und wo kein Gold eingelagert war, da stöhnten die Schwarzen in ihren Eisenketten, mit denen sie aneinander gefesselt waren. Auch sie würden einen guten Preis erzielen.
    Eigene Verluste: Zwei Mann. Aber die waren nicht im Kampf gegen die Schwarzen gefallen, sondern auf der Herfahrt an Skorbut gestorben. Normaler Schwund. Ein guter Kapitän kalkulierte Verluste dieser Art ein; sie waren unvermeidlich.
    Ebenso kalkulierte da Santarém ein, daß von den Schwarzen ein Drittel starb. Wenn weniger starben, erhöhte das seine Gewinnspanne. Er wollte sich vor Gibraltar mit dem Kapitän eines Sklaventransporters treffen. Der würde die Jungen und Mädchen übernehmen und hinüber in die Neue Welt verschiffen. Dort wurden sie als Arbeiter gebraucht, als Material, das sich möglichst selbst vermehrte. Da Santarém wußte, daß höchstens ein Drittel der Sklaven, die er hier an der Goldküste, oder, wie sie auch genannt wurde, Sklavenküste, gefangen hatte, ihr Ziel in der Neuen Welt lebend erreichte. Aber das störte ihn nicht. Er machte sein Geschäft, und auch der Kapitän des Sklavenschiffes würde nicht als armer Mann sterben.
    Was das Gold anging, diese unermeßlichen Schätze, auf die sie eher nebenher gestoßen
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