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0470 - Die blutrote Nacht

0470 - Die blutrote Nacht

Titel: 0470 - Die blutrote Nacht
Autoren: Werner Kurt Giesa
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standen bereit; man wartete nur noch auf den Startschuß. Aber noch war das Geld für diesen Gesamtabriß der Mauerreste am Rand der Sumpflandschaft nicht bewilligt; vielleicht hofften einige der Sparfüchse in der Verwaltung, daß die Ruinen bald von selbst in dem sich ganz langsam ausweitenden Morast versinken würden…
    Es war eine absolut trostlose Landschaft.
    Genau das richtige für Fledermäuse, überlegte Cartagena. Er verstand nicht, warum ein ansonsten recht praktisch veranlagter Mann wie José Maneira sich ausgerechnet für dieses widerwärtige Flatterviehzeug engagierte. Mochten die Biester ruhig aussterben! Cartagena hätte das nicht um seinen Beamtenschlaf gebracht. Aber dieser komische Vogel Maneira hatte die Presse aufgerüttelt, und nicht nur die ansässigen Lokalblätter. Er hatte es wahrhaftig geschafft, ein paar große internationale Redaktionen auf seine Aktion aufmerksam zu machen. Da hatte man nicht anders gekonnt, als eben diese Kirchturm-Ruine aus dem Abrißplan auszuklammern. Und nun hatte er die Biester tatsächlich hier angesiedelt.
    Der Mann verstand es etwas zu gut, Augen und Ohren der Öffentlichkeit auf sich zu lenken und mit Schlagworten auf seine Seite zu bringen.
    »Machen Sie, was Sie wollen, Maneira, aber lassen Sie mich künftig in Ruhe«, sagte Cartagena grimmig. Er wandte sich ab und stieg in den dunklen Dodge, mit dem er gekommen war. Er war froh, als er die Autotür hinter sich schließen konnte. Die Fledermäuse, obgleich sie am hellen Tag nicht flogen, flößten ihm Unbehagen ein.
    Er mochte sie einfach nicht. Schon der Gedanke, daß sie da waren, verschaffte ihm eine Gänsehaut. Aber dank José Maneira waren sie nun einmal da…
    Cartagena sah seine Gestalt im Rückspiegel immer kleiner werden, während er nach Rio zurückkehrte.
    ***
    Maneira wandte sich ab und ging langsam auf den verfallenen Kirchturm zu. Er stammte aus der Zeit der Erstbesiedlung dieser Gegend. Damals hatte noch niemand auch nur im Traum daran gedacht, daß in der unmittelbaren Nähe Rio de Janeiro zu einer pulsierenden Weltstadt werden würde, die praktisch aus allen Nähten platzte und die heimliche Hauptstadt Brasiliens war, während die eigentliche Regierungshauptstadt, Brasilia, nur ein Schattendasein fristete.
    Maneira betrat die Turmruine, baulich eine etwas mißglückte Mischung aus Gotik und Renaissance. Er bewegte sich nicht allzu vorsichtig; gar so baufällig, wie Cartagena behauptete, war das Gebäude nun doch nicht. Die wirklich einsturzgefährdeten Stellen hatte Maneira längst von innen abgesichert. Schließlich wollte er ja auch nicht, daß die Heimat, die er den Fledermäusen geschaffen hatte, allein durch die Luftwirbel ihrer Flughäute zum Einsturz kam.
    Das Kirchenschiff selbst bestand dagegen nur noch aus halbhohen Mauern und vielen Trümmern, in denen mittlerweile längst Bäume wuchsen. Der Rest des Dorfes bestand teilweise sogar nur noch aus den Fundamenten.
    Und der Sumpf breitete sich weiter aus. Langsam zwar, aber unaufhaltsam, Zentimeter für Zentimeter.
    Maneira stieg die Holztreppe im Turm hinauf, die er sorgsam ausgebessert und teilweise erneuert hatte. Die Spitzbogenfenster hatte er von innen mit Brettern vernagelt, damit die Fledermäuse in ihrem Element waren, in der Dunkelheit. Maneira fand seinen Weg mit Hilfe der Taschenlampe.
    Endlich kam er oben an. Dort, wo einst die schwere Bronzeglocke gehangen hatte. Sie war praktisch das einzige gewesen, was die Überlebenden der Katastrophe vor etwa 124 Jahren aus ihrem zerstörten Dorf hatte retten können.
    Maneira lächelte, als der Lichtstrahl über die dunklen Körper der Fledermäuse strich, die hier kopfüber am Gebälk hingen und schliefen. Etwas Unruhe kam in die Tiere. Sie waren mehr geworden als bei seiner letzten Zählung. Es schien sich ein weiterer Schwarm hier eingefunden zu haben. Gerade so, als seien diese Tiere intelligent und würden sich untereinander darüber unterhalten, daß es hier einen gemütlichen, geschützten Platz für sie gab…
    Der Erfolg seines Projektes machte Maneira zufrieden. Er kletterte wieder nach unten, ehe die Unruhe der Tiere größer werden konnte, und rieb sich zufrieden die Hände. Geschafft! Jetzt konnte er endlich auftrumpfen, nachdem er bislang immer hatte kämpfen müssen. Nun konnte er einen Erfolg aufweisen.
    Er verließ den Turm wieder. Nicht weit entfernt, auf festem Boden, parkte sein alter Jeep. Maneira startete den Wagen und fuhr heim.
    Hätte er es riskiert, die
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