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0466 - Die Stadt und das Raumschiff

Titel: 0466 - Die Stadt und das Raumschiff
Autoren: Unbekannt
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fragte er, während er ihr starr in die Augen blickte: „Was soll das, Claudia?" Sie tat unschuldig und fragte, als ob sie nicht begreifen könne: „Was soll was, Joak?" Cascal sagte vorwurfsvoll: „Sie laden mich nun schon das elfte Mal zum Essen ein. Glauben Sie nicht, daß ich diese von Musik des Barden umrahmten stillen Stunden nicht genieße. Im Gegenteil. Ich genieße sie sogar sehr.
    Aber Sie setzen sich und mich einer großen Gefahr aus."
    Sie betrachtete interessiert den Alkoholspiegel in seinem Glas.
    „Welcher?" Cascal flüsterte: „Ich bin nämlich - das werden Sie aber nicht erkannt haben, weil Sie in Psychologie sehr schlecht sind - ungeheuer leidenschaftlich. Und da ich Sie faszinierend finde, besteht die Gefahr, daß ich mich vergesse!"
    Claudia lachte schallend und fragte neugierig: „Wie äußert sich das?"
    „Ich werde dann unbedacht und klopfe vielleicht innerhalb der Dienststunden an Ihre Tür, um Sie zu einem romantischen Spaziergang ins Solarium einzuladen."
    „Diese Gefahr nehme ich auf mich", sagte Claudia. „Ich merke mit erheblicher Verwunderung, daß Sie sich noch immer Hoffnungen auf meine Gunst zu machen scheinen?"
    Cascal nickte und rührte in seiner leeren Tasse herum. Das Geräusch störte Lady, und es begann schrill zu fauchen.
    „Aber jetzt weiß ich endlich, warum ich so wenig oder keine Chancen habe", sagte er mit falscher Tragik in der Stimme.
    „Warum?"
    Er deutete auf ihre Nasenspitze und sagte entschlossen: „Die Frauen wollen alle, daß man sich nur allein mit ihnen beschäftigt. Das ist der Grund, warum die meisten Frauen gerade die Dummköpfe lieben."
    Claudia stützte die Arme auf und antwortete: „Flirt ist Training mit dem Unrichtigen für den Richtigen. Ich bin mir noch immer nicht klar darüber, ob Sie es ernst meinen. Sie machen bei allen Ihren gestammelten Bekenntnissen einen so gelassenen Eindruck. Das irritiert mich."
    Cascal deutete auf den eingeschalteten Interkom.
    „Sehen Sie dieses Bild?"
    „Ja", sagte sie. „Was ist daran so faszinierend?"
    Auf dem Schirm war, farbgetreu und dreidimensional, ein Stück der Insel zu sehen, das Wasser des Sees, der ihnen allen das Leben gerettet hatte, und im Hintergrund die weißen Bauwerke der Stadt Opus Tausend. Ein Bild, das seltsam unbewegt war, wie eine Photogra-phie.
    „Dieses Bild ist Ausdruck Ihres Zweifels. Genau diese Situation, wie sie das Bild schildert, herrscht zwischen Ihnen, Claudia, und mir. Der andere wird erst dann reagieren, wenn der eine angreift."
    Sie sagte: „Ich rate Ihnen, nicht anzugreifen. Ich wäre dann nicht mehr in der Lage, ein Essen für uns zu richten."
    Cascal grinste und sagte: „Ich bin neugierig, wie lange Sie dieses Spiel noch treiben werden."
    Es war in den letzten Wochen zwischen ihnen einiges anders geworden. Aus dem lockeren, unverbindlichen Spiel der ersten Tage nach dem Start war eine Sache mit wesentlich mehr Ernst geworden.
    Für Cascal ebenso wie für Claudia Chabrol. Aber sie wollte es nicht wahrhaben, weil sie keine Möglichkeit hatte, sich zurückzuziehen, und Cascal wußte dies sehr genau. Er wußte, daß sie - wie er auch - die Freiheit liebte. Freiheit war aber unter den herrschenden Umständen, in einem hundert Meter durchmessenden Kreuzer, in dem man sich jede Stunde gegenseitig mehrmals über den Weg lief, ein sehr relativer Begriff. Außerdem waren sie beide von der Nervosität, der Angespanntheit und der Unruhe angesteckt worden, die unter den achttausend Besatzungsmitgliedern mehr und mehr Um sich griff.
    Das Schiff, das wie ein stählerner Berg hier über der Insel stand und die Stadt bedrohte, war die Verkörperung der Vernichtung für Schekret.
    Tage waren vergangen. Zu viele Tage und zu lange Tage.
    Nichts war geschehen - dachte Schekret.
    Und er zermarterte sich verzweifelt, Vorschlag über Vorschlag verwerfend, den Kopf.
    Er mußte etwas tun, um dieses Schiff starten zu lassen. Aber - in dem Moment, in dem es startete, würden die verborgenen Bomben gezündet.
    Schekret, am Rand seiner Kräfte und fast jenseits, seiner Beherrschung, sah das Bild auf seinem Sichtschirm und wußte instinktiv, durch die Schleier seiner Wut und der haßerfüllten Gedanken hindurch, daß die Entscheidung unmittelbar bevorstand.
    Eine Entscheidung, die den Tod barg.
    Für das Schiff oder für Leffa ... und für Schekret.
     
    ENDE
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