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045 - Das verschwundene Volk

045 - Das verschwundene Volk

Titel: 045 - Das verschwundene Volk
Autoren: Claudia Kern
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fast fünfzig Jahren wirkte, obwohl er nicht älter als vierzig sein konnte.
    Er will so sein wie Cortes, dachte er. Spanien und die neue Welt sollen ihm zu Füßen liegen.
    Seit Monaten waren sie bereits auf der Suche nach den sieben goldenen Städten, von denen einige Indianer einem schiffbrüchigen spanischen Edelmann berichtet hatten. Unglaubliche Reichtümer warteten dort angeblich auf ihren Entdecker, aber Antonio glaubte nicht an die Existenz dieser Städte - zumindest nicht hier, in der menschenleeren Ödnis der Wüste.
    Antonio drehte den Kopf, als ein Offizier, dessen Name ihm nicht einfiel, zu Coronado aufschloss.
    »Herr«, sagte der ältere Mann. »Ich würde den Fußsoldaten gerne erlauben, die Brustpanzer abzulegen. Bei dieser Hitze…«
    Coronado ließ ihn nicht ausreden. »Nein. Wir sind die Armee des spanischen Königs. Wir werden nicht wie Vagabunden durch dieses Land ziehen.«
    »Ja, Herr.«
    Antonio presste die Lippen zusammen. Seit dem Verschwinden des Spähtrupps war die Stimmung unter den Soldaten schlechter als je zuvor. Einige vermuteten, Ramon del Estevez sei mit seinen Leuten desertiert, um sie der Schinderei ihres Feldherrn zu entziehen. Vielleicht hatten sie sogar Recht.
    »Fray, seht Ihr das?«, riss Coronado ihn aus seinen Gedanken.
    Antonio folgte seiner ausgestreckten Hand mit dem Blick und sah zwischen den Felsen etwas in der Sonne blitzen. »Ist das ein Brustpanzer?«, fragte er überrascht.
    Coronado spornte sein Pferd an. »Wenn ja, ziehe ich dem Träger persönlich die Haut vom Leib. Das ist Eigentum der Krone!«
    Nur Minuten später stoppten sie neben dem Brustpanzer, der halb vergraben aus dem Sand ragte. Coronado fluchte und sah sich um.
    »Da hinten ist ein Pueblo!«, rief er.
    Antonio kniff die Augen zusammen, um die Höhlenansammlung in der Steilwand besser erkennen zu können, während Coronado nach seinem Fernrohr griff.
    Das Murmeln der Soldaten, die erste Spekulationen ausgetauscht hatten, wurde leiser und verstummte. Eine plötzliche Spannung lag über der Truppe, als jedem bewusst wurde, dass das Rätsel des verschwundenen Spähtrupps kurz vor seiner Klärung stand.
    Coronado senkte das Femrohr und reichte es wortlos an Antonio weiter. Der setzte es an sein Auge. Der runde Ausschnitt der Steilwand sprang ihm förmlich entgegen. Er sah tiefe dunkle Eingänge, gestapelte Tonkrüge und den aufgeblähten Körper eines toten Pferdes.
    Erschrocken zuckte er zusammen. Neben dem Pferd lagen einige Helme und Brustpanzer, zwischen denen das Bein eines Soldaten hervor ragte. Der Rest seines Körpers war mit Sand bedeckt.
    Raubvögel flatterten um ihn herum. Ein zweiter Soldat lag nackt und von dunklen Geiern umgeben auf einem Dach des Pueblos.
    Antonio setzte das Fernrohr ab und bekreuzigte sich. »Was ist hier nur geschehen?«, flüsterte er. Jemand kicherte.
    Antonio fuhr herum, sah, wie Coronado nach seinem Schwert griff und erstarrte.
    »Madre Dios…«
    Er wusste nicht, wieso ihnen die Gestalt bis zu diesem Moment entgangen war. Vermutlich lag es an ihrer reglosen Haltung und an dem braunen Sand, der ihren Körper fast mit dem Fels verschmelzen ließ. Sie drehte ihnen den Rücken zu.
    Coronado sprang von seinem Pferd. »Wer bist du?«, schrie er. »Dreh dich um!«
    Die Gestalt reagierte nicht, kicherte nur leise weiter. Sie kam Antonio bekannt vor.
    Coronado überwand die Distanz mit drei langen Schritten. Er hob sein Schwert mit der rechten Hand, packte die Gestalt mit der linken an der Schulter und riss sie herum.
    Antonio warf nur einen Blick auf das zerstörte Gesicht von Ramon del Estevez, dann wandte er sich ab und schluckte mühsam bittere Galle herunter. Estevez musste bereits seit Tagen dort sitzen, wenn nicht seit Wochen. Seine Haut war von Brandblasen bedeckt, sein Körper bis auf die Knochen abgemagert. Seine Augen, die blicklos in die Sonne starrten, wurden von einem trüben Film bedeckt.
    Ein schmales Wasserrinnsal versickerte vor ihm in einer Felsspalte und war wohl der Grund dafür, weshalb er in dieser Zeit am Leben geblieben war. Antonio bezweifelte, dass das ein Segen Gottes war, denn Estevez hatte offensichtlich den Verstand verloren. Er kicherte, sabberte und reagierte nicht auf die gebrüllten Fragen der Offiziere.
    Nach einer Weile drehte sich Coronado um und sah Antonio an. Unter der Sonnenbräune war sein Gesicht bleich. »Ich habe heute fünfzig Mann verloren, Fray. Betet für sie.« Antonio nickte. »Das werde ich.«
    Er beobachtete, wie zwei
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