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0448 - Der Nebel-Henker

0448 - Der Nebel-Henker

Titel: 0448 - Der Nebel-Henker
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Fähigkeiten?«
    Julian zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Aber wenn ich sie besitze, habe ich sie nicht eingesetzt. Ich habe lediglich den Text analysiert. Den Stil, den Aufbau der vorgeblichen Argumente. Es ist alles größtenteils Polemik.«
    »Gestern sagtest du etwas von alt und böse«, erinnerte Nicole.
    Julian nickte. »Das ist richtig, und es stimmt auch heute noch. Aber ich kann nicht mehr erkennen. Ich weiß nicht, was das ist, was ich gefühlt habe, als ich die Zeitung in die Hand nahm. Ihr wollt euch mit dem Fall befassen?«
    »Möglicherweise.«
    »Dann seid vorsichtig. Es ist gefährlich, weil es sehr lange fort gewesen ist. Es hat sehr tief gewartet.«
    »Was soll das heißen?« fragte Nicole. »Kannst du dich nicht etwas weniger orakelhaft äußern?«
    »Ich kann euch nur sagen, was spontan in mir auftaucht. Mehr nicht. Aber ich würde euch gern begleiten, um festzustellen, was es ist. Daraus könnte ich lernen, meine Ahnungen und Gesichte gezielter einzusetzen.«
    »Ich weiß nicht, ob das gut ist«, wandte Zamorra ein. »Du weißt, daß die Dämonen dir an den Kragen wollen. Sid Amos hat gestern eine Dämonin verjagt, die das Château beobachtete. Sie warten nur darauf, daß du herauskommst und dich in die Öffentlichkeit begibst, wo du ungeschützt bist.«
    »Du solltest hierbleiben«, meinte auch die Druidin.
    »Ich bin lange genug isoliert gewesen«, protestierte Julian. »Ich muß hinaus, muß die Welt aus der Nähe kennenlernen, in der ich lebe. Ich kann mich nicht bis zu meinem Lebensende verstecken. Irgendwann muß Schluß sein. Warum nicht jetzt?«
    »Weil du noch nicht so weit bist«, sagte Rob Tendyke, der unbemerkt eingetreten war und sich im Hintergrund gehalten hatte. »Du bist noch nicht stark genug, Julian.«
    »Woher willst du das wissen?« rief der Junge.
    »Ich fühle es«, sagte der Abenteurer. »Denk daran, daß du mein Erbe in dir trägst. Du bist zwar inzwischen körperlich erwachsen, wie ich feststelle -und ich hoffe, du hast Spaß daran«, er warf Teri einen anzüglichen Blick zu, die jungenhaft zurückgrinste, »aber du bist noch unerfahren Und leichtsinnig. Du kennst die Welt bisher nur aus der Theorie. Du wirst sie in der Praxis kennenlernen - aber noch nicht jetzt. Du wirst im Château bleiben - noch für ein paar Wochen.«
    Julian wollte aufbegehren. Aber er sah in die Augen seines Vaters, und dann nickte er nur noch. Der Junge, vor dem selbst ein Mann wie Ted Ewigk zurückgewichen war, beugte sich der Autorität seines Vaters.
    Aber es war ihm anzusehen; daß er es nur ungern tat.
    »Wir werden also nach Bordeaux fahren, um uns um diese seltsamen Frauenmorde zu kümmern«, sagte Zamorra.
    »Nach Lencouaqc«, verbesserte Nicole. »Dort sind die Morde passiert.«
    »Ein höchst befremdlicher Ortsname«, meinte Tendyke. »So was kann doch kein vernünftiger Mensch richtig schreiben und auch nicht richtig aussprechen! Wer hat bloß die französische Sprache erfunden?«
    »Jemand, der sich dabei vermutlich etwas gedacht hat. Und zwar, daß auch Franzosen sich miteinander verständigen müssen«, grinste Zamorra. »Also los, machen wir uns reisefertig.«
    ***
    Die Entfernung betrug etwa 580 Kilometer. Das Vernünftigste wäre es gewesen, von Lyon aus ein Flugzeug zu benutzen und sich in Bordeaux einen Mietwagen zu nehmen. Aber Zamorra entschied sich dagegen. Vom Château bis zum Flughafen und von Bordeaux bis zu diesem Lencouacq war es jedesmal mit Sicherheit eine Stunde Fahrt; die Zeit konnte durch das Flugzeug in nur unwesentlichem Maße wieder herausgeholt werden. Außerdem fühlte Zamorra sich dem eigenen Wagen vertrauter. Schließlich befand er sich nicht in einem fernen Ausland, wohin er den eigenen Wagen nicht mitnehmen konnte.
    Also nahmen sie den BMW. Der silbergraue 735i schnurrte bis Clermont-Ferrand über die gebührenpflichtige Autobahn und dann über die Nationalstraße 89 weiter nach Bordeaux, Aber ehe sie die Stadt erreichten und Gefahr liefen, sich in ihr zu verirren, bog Zamorra auf schmalen Nebenstraßen nach Süden ab, die komplizierter zu fahren waren, aber dafür keinen Feierabendverkehr aufzuweisen hatten. Irgendwann am späten Nachmittag erreichten sie das kleine Dorf. Nicole schüttelte sich, als sie am Ortseingang anhielten und ausstiegen, um sich ein wenig die Beine zu vertreten und Lencouaqc erst einmal aus der Distanz heraus zu betrachten. Der erste Eindruck war nicht sonderlich umwerfend, was allerdings daran liegen mochte, daß es
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