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0430 - Vampir-Geschwister

0430 - Vampir-Geschwister

Titel: 0430 - Vampir-Geschwister
Autoren: Jason Dark
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Kragen des Burberry hoch, um mich ein wenig vor den peitschenden Regenböen zu schützen.
    Ich schritt auf das kleine Tor des Vorgartens zu, öffnete es und ging über den schmalen Plattenweg in Richtung Haustür.
    Ich war angemeldet, denn ich mußte einmal wieder mit meiner alten Freundin reden.
    Im Schein der Hauslampe sah ich die Regenschleier schräg aus dem Himmel jagen, als wollten sie ganz London mit einem nassen Tuch bedecken.
    Ich schellte.
    Das Taxi war inzwischen wieder abgefahren. Andere Wagen rollten vorbei und durch die Pfützen, so daß die Reifen das Wasser fontänenartig in die Höhe und bis auf die Gehsteige schleuderten.
    Es war ein Hundewetter! Ich war froh, als die Tür geöffnet wurde und mir die Wärme aus dem Haus entgegenschlug. Gleichzeitig hörte ich auch die Stimme.
    »Komm rein, mein Junge!«
    So sprach eigentlich nur eine, Sarah Goldwyn. Hätte sie etwas anderes als mein Junge gesagt, ich wäre mir sehr komisch vorgekommen. Wie es sich gehörte, putzte ich auf der Matte meine Schuhe ab, trat erst dann in die Diele und schloß die Tür.
    Sarah Goldwyn hielt bereits einen Bügel in der Hand. Auf den ich meinen Mantel hängte.
    »Du siehst nicht gut aus, John.«
    »Ich weiß.«
    »Sind die Sorgen so groß?«
    Ja, sie waren groß und in der letzten Stunde noch mehr gewachsen.
    Meinem Gegner, Vincent van Akkeren, war es tatsächlich gelungen, Jane Collins unter Sukos und meinen Augen zu entführen. Damit hatten wir nicht gerechnet.
    »Du sagst nichts?«
    Ich lächelte. »Weißt du, Sarah, du hast recht.«
    »Klar, mein Junge.« Sie nickte. »Und jetzt willst du dich bei der alten Sarah Goldwyn ausweinen.«
    »So ähnlich.«
    »Dann komm mal ins Zimmer. Es ist alles bereit. Ich habe den Tee aufgesetzt und dir einen kleinen Imbiß zubereitet. Du wirst sicherlich Hunger haben.«
    Den hatte ich tatsächlich. Und wieder war ich bei ihren letzten Worten an meine Mutter erinnert worden, denn sie hätte ähnlich gesprochen.
    Vom Flur aus konnten wir den Wohnraum betreten. Das eigentliche Reich der Sarah Goldwyn, auch Horror-Oma genannt, lag unter dem Dach, wo sie in den zahlreichen Regalen eine umfangreiche Sammlung an historischer und mystischer Literatur sowie fantastische Filme aufbewahrte.
    Lady Sarah trug ein violettes Strickkleid und hatte noch eine Jacke über die Schultern gehängt. Wie immer klimperten die zahlreichen Ketten, die sie um ihren Hals gehängt hatte. Wenn man sie mal nicht sofort erkannte, hörte man sie wenigstens.
    An dem runden Tisch hatte ich schon oft gesessen. Auch an diesem Abend würde es wieder so sein. Ich nahm in dem alten Sessel Platz, streckte die Beine aus, genoß den Duft des Tees und fühlte mich plötzlich sauwohl. Gleichzeitig kam ich mir vor wie auf einer Insel, die den gesamten Streß und auch die Hektik hinter sich gelassen hatte.
    Der Alltag verschwamm.
    Ich schloß die Augen ein wenig und öffnete sie erst, als ich das typische Geräusch vernahm, das entsteht, wenn jemand Tee einschenkt. Lady Sarah stand neben mir.
    »Laß dich nicht stören, mein Junge«, sagte sie, »ich mag Leute, die noch träumen können.«
    Ich lächelte. »Irgendwie ist es gemütlich. Ich mag diese Atmosphäre, sie gibt mir Geborgenheit, weißt du?«
    »Sicher.«
    Ich setzte mich wieder ordentlich hin und sah neben der Tasse einige Sandwiches stehen. Sie waren dick mit Wurst und Käse belegt worden, sahen sehr lecker aus, so daß ich mich nicht erst lange nötigen ließ, sondern den ersten nahm und hineinbiß.
    Die Horror-Oma saß mir schräg gegenüber, sah mir beim Essen zu und freute sich darüber, wie sehr es mir schmeckte. »Es tut mal wieder gut, John, wenn man jemand bewirten kann. Das haben meine Männer auch immer geschätzt.«
    Ich schluckte den Bissen herunter und gab erst dann die Antwort. »Das kann ich mir gut vorstellen.« Zwischendurch trank ich einen Schluck Tee.
    Eigentlich hatte ich nur ein Sandwich nehmen wollen. Bevor ich mich jedoch versah, waren drei verschwunden.
    »Ich mache dir gern neue, John.«
    »Nein!« Heftig deutete ich auf meinen Bauch. »Um Himmels willen, willst du mich mästen? Ich bin satt, da paßt nichts mehr hinein.«
    »Und deine Verdauungszigarette?«
    »Die werde ich rauchen.«
    Auch Lady Sarah rauchte, was selten genug vorkam und eigentlich nur bei besonderen Anlässen passierte. Aber sie qualmte keine Zigaretten, sondern Zigarillos. Sie waren lang, braun und dünn.
    »Jetzt erzähl mir von deinen Sorgen, ich bin ganz Ohr.«
    Im Ascher
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