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0424 - Der Drachen-Clan

0424 - Der Drachen-Clan

Titel: 0424 - Der Drachen-Clan
Autoren: Werner Kurt Giesa
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den Wagen verstecken konnte, ohne daß er auf Anhieb gesehen wurde. Er fuhr eine Weile über eine extrem holperige Geröllstrecke, um keine Reifenspuren im Gras zu hinterlassen, die gesehen werden mußten, ehe der Morgentau es wieder aufrichtete. Im Dämmerdunkeln zu fahren, war hier ein artistisches Kunststück. Die Scheinwerfer halfen da nur wenig. Mehrmals sah es so aus, als würde der Landcruiser an leichten Steigungen im Geröll hängenbleiben oder an schwierigen Stellen kippen. Aber Ted fing ihn immer wieder. Diese Strecke kannte er nur vom Sehen her und fuhr sie jetzt zum ersten Mal. Aber er kam irgendwie durch.
    Schließlich stellte er den Wagen an einer Stelle ab, die von der Ritual-Ebene aus nicht einzusehen war, schaltete den Motor aus und löschte die Lampen.
    »Wie kommen wir jetzt auf den Felsen hinauf?« fragte Lo Yina.
    Ted grinste. »Gar nicht«, sagte er. Er drückte ihr den Fotoapparat in die Hand, für den er gleich einen empfindlichen Film mitgekauft hatte. »Hier«, sagte er. »Ohne Blitz, aber mit langer Belichtungszeit. Du brauchst eine ruhige Hand. Du fotografierst alles, wenn ich es dir sage. Ich muß mich auf andere Dinge konzentrieren, aber ich will meiner Zeitung neben Luigi Tocos Bildern auch noch eigene Fotos mitbringen. Außerdem könnten sie als Beweismaterial dienen.«
    »Aber wo wollen wir uns verstecken?«
    Er deutete auf die Hügelkuppe. »Hier, im hohen Gras«, sagte er. »Ich werde den Teufel tun, dort oben hinauf zu klettern. Von dort kann ich kaum etwas machen. Hier unten bin ich beweglicher.«
    Sie nahmen ihre Plätze ein. Ted war sicher, daß sie nicht gesehen werden konnten. Er wies das Mädchen kurz in die Bedienung der Kamera ein. Dann begann das Warten.
    Es wurde langsam hell. Nebelschwaden breiteten sich in der seltsamen Ebene aus.
    Und dann…
    ...kamen sie…
    ***
    Seit der Drachenmann aus dem Nichts gefallen war, diese aufrecht gehende Echse mit ihrer eigentümlichen Art, sich zu verständigen, waren die Unterhaltungen mit dem Allessehenden Drachen einfacher geworden, fand der Priester der Bruderschaft. Etwas zu einfach - aber das war es weniger, was ihn störte, sondern mehr die Kontrolle, die der Allessehende Drache durch diese Inkarnation über den Priester ausüben konnte.
    Notgedrungen hatte er ihn in seiner Wohnung in Kowloons Stadtteil Shek Kip Mei aufnehmen müssen. Es gefiel ihm nicht besonders, diese Wohnung mit dem Echsenmann teilen zu müssen, der zuweilen recht eigenartige Lebensgewohnheiten an den Tag legte, an denen der Priester absolut nichts Menschliches sehen konnte. Aber es ging nicht anders. Erstens gab es keine halbwegs vernünftige Möglichkeit, diesen Menschendrachen irgendwo anders unterzubringen, und zweitens hatte der Allessehende Drache ihn dazu gezwungen.
    Der Priester hoffte, daß dieser Zustand nicht von Dauer sein würde. Er wollte irgendwann auch wieder einmal ein einigermaßen normales Junggesellenleben führen. Er war der Bruderschaft immerhin nicht so tief verschworen, daß er in seiner Freizeit nicht gern menschliche Wege gehen und menschliches Vergnügen suchen wollte. Aber wenn er eine Partnerschaft einging, würde die Partnerin über kurz oder lang auf diesen Drachen stoßen. Außerdem war es schwierig, ihn zu verköstigen, und Besucher in die Wohnung einlassen konnte er auch nicht. Die paar Tage waren bereits anstrengend gewesen.
    Aber vielleicht wurde das ohnehin alles ganz anders, wenn der Allessehende Drache sich erst einmal manifestiert hatte…
    Der Drachenmann trug eine dunkle Kutte mit Kapuze, die er über den Kopf gezogen hatte, um sein Aussehen damit zu verbergen. Wenn er in den frühen Morgenstunden die Wohnung des Priesters verließ, trug er auch Handschuhe, und wenn er dann im Laufe des Vormittags zurückgebracht wurde, ebenfalls. Das Gesicht lag tief im Schatten der Kapuze, und er mußte leicht vornübergebeugt gehen, damit niemand aus Zufall sehen konnte, was für ein seltsames Wesen dort ging. Die Zeit war noch nicht reif, der Drache nicht erweckt.
    Wieder fuhren sie hinaus zur Ebene, um eine neue Beschwörung vorzunehmen. Nicht mehr lange, und alles hatte ein Ende. Der Priester wußte es. Aufmerksam hatte er die Veränderungen der Statue verfolgt. Der Akt der Belebung machte in letzter Zeit enorme Fortschritte. Würde man sie in ein Diagramm einzeichnen, so ergäbe sich keine stetige Linie, sondern eine steil ansteigende Parabel, die um so steiler stieg, je mehr Zeit verging.
    Dann änderte sich alles, wenn sie
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