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0408 - Der Gespenster-Galgen

0408 - Der Gespenster-Galgen

Titel: 0408 - Der Gespenster-Galgen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Erleichterung war damals der größte Teil der umfangreichen Bibliothek erhalten geblieben.
    Nach langem Hin und Her hatte die Versicherung, welcher man natürlich mit dem Begriff ›Dämonenangriff‹ nicht kommen konnte, die Gelder bewilligt, und die Restaurierungsarbeiten hatten begonnen. Trotzdem ging es nur schleppend voran; übertrieben ausgedrückt mußte jeder Stein und jeder Zementsack, jede Tapetenrolle und jede Teppichfaser einzeln genehmigt werden. Zamorra war froh, daß er mit dieser Sache nicht viel zu tun hatte. Dafür war ein beauftragtes Architektenbüro zuständig, und das wiederum unterstand der wohlwollenden Kontrolle seiner geliebten Sekretärin Nicole Duval, die er vorhin noch selig schlummernd im Bett zurückgelassen hatte, weil er es nicht übers Herz brachte, sie aufzuwecken.
    Er ließ den Wagen stehen, wo er stand, stieg aus und betrat mit den Zeitungen unterm Arm den Seitentrakt. Im Frühstücksraum wirbelte ihm eine ausgeschlafene Nicole entgegen, munter wie der junge Morgen, aufregend hübsch wie immer und nur mit einem strahlenden Lächeln bekleidet. Sie fiel Zamorra in die Arme, küßte ihn, bis ihm die Atemluft knapp wurde, und schaltete dann auf Rückzug.
    Er warf die Zeitungen auf den Tisch.
    »He, willst du Kleiderverschleiß verhindern?«
    »Ich wollte dir nur zeigen, was dir entgangen ist, als du dich ohne Abschiedskuß davongemacht hast«, lachte sie ihn an und unternahm den halbherzigen Versuch, ihre aufregenden Blößen mit den Händen zu bedecken. Nur hatte sie dafür ein paar Hände zu wenig. Zamorra lachte zurück. »Wir können das nachholen«, kündigte er an.
    Nicole wehrte ab. »Komm nur nicht auf dumme Gedanken. Ich habe meine fünfte Tasse Kaffee noch nicht getrunken und bin deshalb ungenießbar.«
    »Genauso siehst du auch aus. Hast du für mich wenigstens noch etwas übriggelassen? Gefrühstückt habe ich nämlich auch noch nicht.«
    »Raffael bringt gleich Nachschub«, verkündete sie und ließ sich wieder nieder. »Ich glaube, die Silbermond-Gewohnheiten werde ich noch nicht so schnell wieder los.«
    »Zum einen halte ich das für recht erfreulich«, murmelte Zamorra. Während ihres von magischen Mächten erzwungenen Aufenthaltes in der Vergangenheit des längst untergegangenen Silbermondes hatten sie in der Welt der Druiden eine Kultur kennengelernt, die fast keine Tabus kannte und in der, was Kleidung anging, jeder nach seiner Vorstellung glücklich werden konnte, ob im knöchellangen Wintermantel oder splitternackt. Nicole mit ihrer ohnehin sehr freizügigen Einstellung hatte diese textile Freiheit weidlich ausgenutzt.
    Jedes Paradies hat seine Schlange, und auf dem Silbermond hatte ein MÄCHTIGER diese Rolle ausgefüllt. Zamorra war sich nicht hundertprozentig sicher, ob sie ihn endgültig hatten ausschalten können. Die Erinnerung an seinen und seiner Gefährten Aufenthalt auf dem Silbermond riß ab in der Glutwolke einer gigantischen Explosion — das bewußte Erwachen war anschließend in der Gegenwart und in Merlins Burg erfolgt. Wie sie alle dorthin gekommen waren, wußte niemand. Aber vielleicht Robert Ten-dyke, aber der schwieg sich standhaft darüber aus.
    Das Rätsel der Rückkehr blieb vorerst ebenso ungelöst wie jenes andere Rätsel, daß der MÄCHTIGE Professor Zamorra von einer früheren Begegnung her gekannt hatte — obgleich Zamorra sicher war, diesem und keinem anderen MÄCHTIGEN chronologisch geordnet früher begegnet war. Irgendwann, hatte er sich vorgenommen, würde er dieses Rätsel lösen -und wenn er dazu eigens noch einmal in die Vergangenheit und zum Silbermond reisen mußte.
    Nicoles reizvoller Anblick zog seine Gedanken in die Gegenwart zurück. »Zum anderen«, fuhr er fort, »solltest du in Erwägung ziehen, daß wir derzeit nicht allein hier sind. Ein halbes Dutzend Arbeiter arbeitet daran, den Haupttrakt zu restaurieren, und der Anblick deiner hüllenlosen Schönheit könnte die Herren verwirren und von der Arbeit ablenken.«
    »Du gönnst den armen Burschen auch gar nichts«, behauptete Nicole. »Stell dir vor, angezogene Freuen sehen sie an jeder Straßenecke. Außerdem tut’s mir nicht weh. Schon wieder Zeitungen?«
    »Ich liebe deine Ablenkungsmanöver«, murmelte Zamorra. Er hob die oberste Zeitung, zusammengerollt, auf. Raffael Bois erschien mit einer Kanne frischen Kaffees, wünschte seinem Chef einen schönen und erholsamen Tag und füllte dessen Tasse.
    Zamorra überflog den von Pascal Lafitte markierten Text auf der
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