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0408 - Der Drachenblut-Vampir

0408 - Der Drachenblut-Vampir

Titel: 0408 - Der Drachenblut-Vampir
Autoren: Jason Dark
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anders als wir Menschen. Sie merkt genau, wenn sich der Tod ausbreitet. Da kennt sie sich aus, weil sie hinter die Dinge schaut. Und die Legende erzählt, dass jemand aus der Familie stirbt, wenn man den Ruf vernimmt. Ich habe den Schrei gehört, ich bin bettlägerig, also werde ich sterben. Der Schrei gilt mir«, fügte sie noch flüsternd hinzu.
    Patrick ging auf seine Mutter zu. »Keinem galt der Ruf oder der Schrei. Da hat sich jemand einen Scherz erlaubt.«
    Gesine hob den Kopf an. Ihre Züge versteinerten. »Nein, mein Sohn, so ist das nicht. Niemand auf unserer Insel würde damit spaßen. Ein jeder weiß, wie gefährlich die Banshees sind und wie recht sie mit ihrem Todesruf haben. Weißt du, weshalb ich zu euch gekommen bin, mein Sohn?«
    »Ich kann es mir denken. Du hast den Ruf gehört und…«
    »Rede nicht, ich bin gekommen, um von euch Abschied zu nehmen. Ich wollte die Familie noch einmal sehen, weil ich weiß, dass ich diese Nacht nicht überstehen werde.«
    »Aber das ist doch Unsinn.« Dann nickte der Mann. »Sicher, vielleicht holst du dir eine Lungenentzündung. Das mag schon sein, aber nicht, weil irgendjemand geschrieen hat. Dabei weiß man nicht einmal, ob es ein Tier oder ein Mensch gewesen ist.«
    »Eine Banshee, Patrick!«, flüsterte die alte Frau.
    »Ich habe sie jedenfalls nicht gesehen!«, erklärte der Mann. »Ich glaube einfach nicht daran.«
    Die Augen der alten Frau bekamen einen anderen Blick. Tiefer Ernst lag in ihnen. »Mein Junge, du wirst dich noch wundern. Das Leben ist nicht mit dem abgeschlossen oder zufrieden, was du in deiner unmittelbaren Umgebung siehst. Es gibt andere Dinge, die man nicht auf den ersten Blick erkennen kann, die aber dazwischen liegen, im Verborgenen bleiben und doch so viel Einfluss auf uns Menschen haben. Ich habe die Weisheit des Alters. Du bist noch jünger, mein Sohn, und ich hoffe, dass du irgendwann einmal so denken wirst wie ich. Aber dann kann es zu spät sein. Deshalb bitte ich dich inständig, kehre um, Patrick! Andere dich, nimm die alten Warnungen ernst! Sie sind nicht von ungefähr ausgesprochen worden, glaube es mir.«
    Die letzten Worte hatten die von einer Krankheit geschwächte Frau sehr mitgenommen. Es sah so aus, als würde sie zusammenbrechen. Patrick sprang vor und stützte seine Mutter.
    »Jetzt hast du dich übernommen. Ich bringe dich auf dein Zimmer, dort kannst du schlafen.«
    »Gute Nacht, Mutter«, sagte Helen.
    »Nicht gute Nacht, mein Kind!«, flüsterte sie, und plötzlich schienen alle Versammelten den Atem anzuhalten. Es wurde still, nur das Knistern des Feuers war noch zu hören. »Ich möchte nicht gute Nacht sagen«, flüsterte die kranke Frau. »Wir werden uns in dieser Welt nicht mehr wiedersehen. Wenn ich jetzt ins Bett gehe, dann, um zu sterben. Macht es gut.« Sie drehte den Kopf und schaute Suko an. »Ich kenne dich nicht, Fremder, aber ich weiß und spüre, dass du die Dinge anders siehst. Du glaubst daran. Deshalb versuche, es meinen Kindern und Enkelkindern zu erklären. Sie dürfen nicht mit geschlossenen Augen durchs Leben gehen. Sie dürfen es nicht. Und jetzt, mein Sohn«, die Frau holte noch einmal tief Luft, »bring mich nach oben auf mein Sterbelager.«
    »Ja, Mutter, ja.«
    Die beiden gingen. Zurück ließen sie einen nachdenklichen Suko und eine ängstliche Helen.
    Die Schritte von Mutter und Sohn waren noch einige Zeit zu hören, dann erst fasste sich Helen ein Herz. »Ich muss mich für meine Mutter entschuldigen«, sagte sie. »Aber sie sieht die Dinge eben anders. Sie ist alt, leidet an Verkalkung.«
    Suko schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob man das Verkalkung nennen kann.«
    Helen legte beide Hände aufs Herz. »Dann glauben Sie ihr?«
    »Unter Umständen.«
    Der Ton bei den Rushs war locker. Manchmal wurde gesiezt, dann wieder geduzt. Im Augenblick kam Suko der Hausherrin sehr fremd vor, deshalb redete sie so förmlich mit ihm. Sie hatte auch die Hände gefaltet, als wollte sie beten. Dabei bewegten sich ihre Lippen, ohne dass Suko jedoch ein Wort gehört hätte.
    Der Inspektor wurde das Gefühl nicht los, dass er jetzt etwas sagen musste. Das tat er auch. »Es gibt Menschen, die Todesahnungen haben«, erklärte er. »Ihre Schwiegermutter wird zu denjenigen gehören.«
    »So krank ist sie nicht.«
    »Es muss ja auch nicht unbedingt alles mit einer Krankheit zu tun haben«, erwiderte Suko.
    Helen ging zum Tisch und nahm auf der Bank Platz. Sie stützte das Kinn in beide Hände, während
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