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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde
Autoren: Anne Stuart
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eigentlich nur seine Pferde und seine Liebschaften etwas bedeuteten.
    Sie hatte es stets als schreiendes Unrecht empfunden, dass seine Ehefrau für ihren lockeren Lebenswandel kritisiert und an den Pranger gestellt wurde, während seine Seitensprünge schlimmstenfalls als Kavaliersdelikte galten. Mittlerweile hatte sie freilich eingesehen, dass Gerechtigkeit etwas mit dem Recht des Stärkeren zu tun hatte. „Unsinn, natürlich sind wir seine Kinder“, widersprach sie Lydia, die ihre eheliche Geburt bislang nie angezweifelt hatte. „Ich bin hochgewachsen wie die meisten Männer und habe diese abscheuliche Nase.“
    „Deine Nase ist sehr schön, Nell“, protestierte Lydia lächelnd. „Eine stolze Aristokratennase, während ich nur ein Stupsnäschen zu bieten habe.“
    „Es gab Zeiten, in denen ich alles darum gegeben hätte, mit dir zu tauschen“, entgegnete Elinor verdrießlich.
    „Dummes Zeug. Du hast keinen Grund, deine Persönlichkeit zu verleugnen.“

    Elinor lachte trocken. „Vermutlich hast du recht. Ich war immer schon schrecklich eigensinnig. Eigentlich will ich so sein, wie ich bin, nur sagenhaft reich. Das ist doch ein verständlicher Wunsch, nicht wahr? Dummerweise müsste ich einen reichen Mann heiraten, um dieses Ziel zu erreichen. Aber leider ist mir diese Nase dabei im Weg – im wahrsten Sinne des Wortes.“
    „Der richtige Mann wird dich als Person schätzen, wie du bist, mitsamt deiner eleganten aristokratischen Nase“, erklärte Lydia im Brustton der Überzeugung. „Im Übrigen habe ich mir vorgenommen, einen sagenhaft reichen Mann zu heiraten, also bist du diese Sorge los. Dir steht es frei, aus Liebe zu heiraten.“
    Elinor prustete undamenhaft los. „Eine wunderbare Vorstellung, meine Liebe. Kannst du mir verraten, wie du in dieser armseligen Gegend einen reichen Mann kennenlernen willst? Beim nächsten Umzug landen wir im Elendsviertel, das sehe ich schon kommen.“
    „Ich habe Gottvertrauen“, erklärte Lydia unerschütterlich. „Es fügt sich alles zur rechten Zeit.“ Bei all ihren Tugenden war Lydia auch noch eine fromme Christin, während Elinor ihren Glauben an Gott schon vor Jahren verloren hatte, damals, als sie Sir Christopher Spatts ausgeliefert worden war. Nun begleitete sie Lydia nur noch zum sonntäglichen Gottesdienst, um die Form zu wahren.
    „Ich finde, die göttliche Fügung lässt zu lange auf sich warten“, murrte sie. „Es wäre wünschenswert, wenn sie sich etwas sputen würde.“
    Aus dem Hinterzimmer wurden Stimmen laut. Jacobs stürmte in die Wohnstube, den Hut in der Hand, das wettergegerbte alte Gesicht in tiefe Sorgenfalten gelegt. Nanny Maude folgte ihm auf den Fersen.
    „Sie ist gegangen, Miss“, verkündete er düster.
    Es war klar, von wem er sprach. „Was heißt, sie ist gegangen?“ Elinor sprang erschrocken auf. „Ist sie gestorben?“
    „Nein, Miss Elinor“, meldete Nanny sich bekümmert zu Wort. „Ihre Mutter hat das letzte Geld gefunden, das ich für unser Essen versteckt habe, ihr schönstes Kleid angezogen und ist ausgegangen.“
    „Um Himmels willen! Wie hat sie das nur geschafft? Sie konnte doch kaum das Bett verlassen?“ Elinor war entsetzt. „Wir müssen sie finden. Weit kann sie nicht gekommen sein.“
    „Ich hätte sie beinahe noch erwischt, Miss“, gestand Jacobs zerknirscht und drehte den Hut in seinen großen schwieligen Händen. „Ich sah, wie sie Straße entlangeilte und in eine Kutsche stieg, ehe ich sie zurückhalten konnte.“
    „Eine Kutsche? Bist du sicher, dass es meine Mutter war? Sie kennt niemand mehr, der eine Kutsche besitzt.“
    „Sie war es“, versicherte Jacobs grimmig. „Und die Kutsche habe ich auch erkannt.
    Im Schein der Gaslaterne konnte ich das Wappen sehen.“
    „Grundgütiger“, stöhnte Elinor. „In welches Unglück stürzt sie sich diesmal? Wem gehört die Kutsche?“
    „St. Philippe.“

    „Verdammter Mist“, fluchte Elinor. „Schau mich nicht so strafend an, Nanny Maude.
    Ich weiß, du hast mich besser erzogen. Aber hier ist ein Fluch angebracht. Du weißt, wer St. Philippes Freund ist, Jacobs?“
    „Ich weiß es nicht“, warf Lydia ein, deren blaue Augen neugierig blitzten.
    „Du musst es auch nicht wissen“, entgegnete Elinor streng.
    „Es ist dieser Teufel, dieser Comte de Giverney, nicht wahr?“ Nanny Maude schlug verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen. „Sie wagt sich in die Höhle des Löwen, wo es Orgien und schreckliche Ausschweifungen gibt. Und sie
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