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04 Verhaengnisvolles Schweigen

Titel: 04 Verhaengnisvolles Schweigen
Autoren: Peter Robinson
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Swainshead. Dies ist ein Hängetal.«
      »Wie bitte?«
      »Ein Hängetal«, wiederholte Gristhorpe. »Ein Seitental, das im rechten Winkel ins Haupttal Swainsdale mündet. Der Gletscher war hier zu klein, um das Tal genauso zu vertiefen wie der größere Gletscher, der das ganze Haupttal ausgefräst hat, deshalb hängt es wie ein Quereinschnitt über der Haupttalsohle. Das Wasser erreicht den Hauptfluss normalerweise über Wasserfälle, Rawley Force ist so einer. Ich dachte, du hättest dich in die regionale Geologie eingelesen, Alan.«
      »So weit bin ich noch nicht gekommen«, brummte Banks. Tatsächlich hatte er das Geologiebuch zugunsten eines neuen Geschichtsbuches über Yorkshire, das ihm seine Tochter Tracy empfohlen hatte, nach nur zwei Kapiteln beiseitegelegt. Sein Problem bestand darin, eine Menge wissen und lernen zu wollen, aber kaum Zeit zum Lesen zu finden, so dass er von einem Thema zum anderen sprang, ohne wirklich etwas im Gedächtnis zu behalten.
      »Wie auch immer«, fuhr Gristhorpe fort, »Rawley Force ist nur ungefähr dreißig Meter hoch. Wenn wir uns an die Bergwachtstation in Helmthorpe wenden und sie dazu kriegen, eine Seilwinde aufzubauen, dann können wir das Team hier ohne Probleme rauf- und runterschaffen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Glendenning hier so hochkraxelt wie wir. Es wird ein unglaubliches Hin und Her geben. Außerdem müssen wir auch die Leiche irgendwie runterkriegen. Eine Winde könnte die Lösung sein. Müsste problemlos funktionieren. Die Höhlenforschervereine aus Craven und Bradford bauen für die Touristen jedes Jahr eine am Gaping Gill auf - und der ist um einiges tiefer.«
      »Klingt gut«, sagte Banks skeptisch. Er erinnerte sich an die Schaukelpartie hundert Meter den Gaping Gill hinab, der sich zu einer Höhle öffnete, so riesig wie das Innere der Kathedrale von York. Ein Erlebnis, das er ungern wiederholen wollte. »Aber wir sollten lieber loslegen, sonst ist es dunkel, bevor alle hier sind. Brauchen wir Sergeant Hatchley?«
      Gristhorpe nickte.
      »Richmond auch?«
      »Noch nicht. Warten wir erst mal ab, was wir rausfinden, bevor wir hier das ganze Personal anrücken lassen. Richmond kann solange auf der Wache die Stellung halten. Ich werde hier bleiben, während du zum Auto zurückgehst und über Funk die Leute rufst. Sag dem Doc lieber gleich, in welchem Zustand die Leiche ist. Vielleicht braucht er besondere Ausrüstung.«
      Banks blinzelte hinab auf die Leiche, dann schaute er Gristhorpe an.
      »Bist du sicher, dass du hierbleiben willst?«
      »Das ist keine Frage des Wollens«, sagte Gristhorpe. »Jemand muss hierbleiben.«
      »Sie hat hier lange genug allein rumgelegen. Auf eine halbe Stunde mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an.«
      »Jemand muss hierbleiben«, wiederholte Gristhorpe.
      Banks wusste, wann man besser den Mund hielt. So verließ er den wie Buddha unter einer Esche am Bach sitzenden Superintendent und begab sich zurück durch die Wälder zu seinem Wagen.
     
    »Was ist los?«, fragte Katie Greenock, als Sam und Stephen mit Fellowes in ihrer Mitte hereinwankten.
      »Er hat ein bisschen über den Durst getrunken, das ist alles«, sagte Sam. »Mach Platz, Frau. Ist Nummer fünf noch frei?«
      »Ja, aber -«
      »Keine Angst, er wird schon nicht auf deine kostbaren Laken kotzen. Er braucht nur Schlaf.«
      »Na gut«, sagte Katie und biss sich auf die Lippe. »Dann bringt ihn lieber hoch.«
      Als sie an ihr vorbeigingen und sich die Treppen hochkämpften, lächelte Sam sie entschuldigend an. Schließlich luden sie ihre Last auf der Tagesdecke ab und ließen Katie allein mit ihm im Zimmer. Zuerst rührte sie sich nicht vom Fleck. Sie stand am Fenster und schaute Fellowes erschrocken an. Sam wusste ganz genau, wie sehr sie Betrunkene hasste und fürchtete. Und wie sehr sie sich vor ihnen ekelte. Und dabei hatte Mr Fellowes einen so netten und vernünftigen Eindruck gemacht.
      Sie hatte kein klares Bild mehr von ihrem Vater, denn er starb gemeinsam mit ihrer Mutter bei einem Feuer, als Katie erst vier Jahre alt war, aber er war Alkoholiker gewesen, und sie zweifelte nicht daran, dass daher ihre Abneigung kam. Das einzige, undeutliche Bild, das sie von ihrem Vater im Kopf hatte, war das eines großen, ordinären Mannes, der sie mit seiner lauten Stimme, seinen Bartstoppeln und seiner Grobheit verängstigte. Einmal, als ihre Eltern sich unbeobachtet wähnten, hatte sie
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