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04 Verhaengnisvolles Schweigen

Titel: 04 Verhaengnisvolles Schweigen
Autoren: Peter Robinson
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einmal den Rucksack zurecht und zog aus ins verlockende Tal.
      Schon bald wich der struppige Untergrund einem weichen Grasboden. Als Neil den Wald erreichte, wirkten die Blätter aufgrund des hindurchscheinenden Sonnenlichtes wesentlich grüner. Der Geruch von Bärlauch erfüllte seine Nase und benebelte ihn. In der leichten Brise wogten Glockenblumen hin und her.
      Den Bach hörte er, bevor er ihn zwischen den Bäumen sah, ein leiser, sprudelnder Ton - freudig und heiter. Nicht nur aus der Ferne, sondern auch mittendrin hatte das Tal ganz eindeutig etwas Magisches. Es war üppiger als die Umgebung, die Farne und Sträucher wucherten saftiger und voller, als hätte Gott diesem Flecken Erde eine besondere Gnade zuteilwerden lassen.
      Neil befreite sich von seinem Rucksack und legte ihn ins dichte Gras am Ufer. Während er seine Brille abnahm, beschloss er, einen Moment auszuspannen und vielleicht einen Kaffee aus der Thermoskanne zu trinken, bevor er seinen Weg fortsetzte. Er legte seinen Kopf auf den Rucksack und schloss die Augen. Er dachte an nichts mehr, nahm nur noch den berauschenden Bärlauchduft wahr und die Klänge der Natur um ihn herum: das Lied des Baches, den kühlen Hauch des Windes, der durch die wilden Rosen und Geißblätter wehte, und das Trällern der Feldlerchen, die sich singend der Sonne entgegenschraubten und leicht wie Federn wieder hinabschwebten.
      Ausgeruht und tatsächlich mit einem Gefühl wie neugeboren, rieb sich Neil die Augen und setzte seine Brille wieder auf. Als er sich umschaute, entdeckte er eine wilde Blume im Gehölz jenseits des Baches. Von seinem Platz aus betrachtet, schien sie gut dreißig Zentimeter hoch zu sein, mit rotbraunen Kelchen und blassgelben Blütenblättern. Im Glauben, es könnte sich um einen seltenen Frauenschuh handeln, entschloss er sich, hinüberzugehen und sich die Pflanze genauer anzusehen. Der Bach war nicht besonders breit, außerdem gab es genügend zufällig platzierte Steine im Wasserbett.
      Als er sich der Blume näherte, drängte sich ein anderer Geruch auf, der wesentlich strenger und gesättigter war als der von Bärlauch oder feuchter Erde. Er verstopfte seine Nase und drang bis in die Bronchien vor. Neugierig, woher der Geruch stammen könnte, schaute er sich um, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken. Neben der Blume, bei der es sich mit Sicherheit um einen Frauenschuh handelte, lagen ein paar von einem Baum heruntergefallene Äste und blockierten seinen Weg. Um einen besseren Blick zu haben, begann er sie zur Seite zu ziehen.
      Doch er kam nicht sehr weit. Dort, nur notdürftig verborgen, lag die Quelle des Gestanks: eine menschliche Leiche. In dem kurzen Augenblick, bevor er sich umdrehte, um sich in die Sträucher zu erbrechen, bemerkte Neil zwei Dinge: Die Leiche hatte kein Gesicht, und sie sah aus, als würde sie sich bewegen - ihr Fleisch schien buchstäblich zu krabbeln.
      Er blieb noch einen Moment, um sich im Bach das Gesicht zu waschen und den Mund auszuspülen, ließ seinen Rucksack, wo er war, und rannte so schnell er konnte zurück nach Swainshead.
     
    Ekelhaft, dachte Katie Greenock und hob schleunigst ihre Nase, während sie den Abfalleimer aus Zimmer drei leerte. Man sollte eigentlich meinen, die Leute würden sich schämen, solche Dinge für jeden sichtbar liegen zu lassen. Gott sei Dank sind sie heute Morgen abgereist. Die beiden hatten die ganze Zeit etwas Schmieriges an sich: So wie die sich am Frühstückstisch küssten und betatschten, wie sie immer erst so spät aus ihrem Zimmer verschwanden und so früh schon wieder zurückkehrten. Sie glaubte nicht einmal, dass sie verheiratet waren.
      Seufzend fegte Katie eine aschblonde Haarsträhne weg und leerte den Eimer in den schwarzen Plastiksack, mit dem sie von Zimmer zu Zimmer ging. Sie war schon vollkommen erschöpft. Ihr Tag begann um sechs Uhr in der Früh, und an sorglose, ländliche Morgenstunden mit Vogelgezwitscher und Tau war für sie nicht zu denken, für sie gab es nichts als harte Arbeit.
      Zuerst musste sie das Frühstück zubereiten und alles genau aufeinander abstimmen, damit die Eier sich nicht schon abgekühlt hatten, wenn der Speck fertig war, und damit der Tee genau in dem Moment frisch war, wenn die Gäste sich entschlossen, nach unten zu kommen. Bei dem Saft und dem Müsli konnten sich die Gäste selbst bedienen, sie musste die Dinge nur frühzeitig bereitstellen - allerdings auch nicht zu früh, damit die Milch nicht
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