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0399 - Totentanz im Urnengrab

0399 - Totentanz im Urnengrab

Titel: 0399 - Totentanz im Urnengrab
Autoren: Jason Dark
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besseren Hütte als die Mitglieder seiner Gemeinde wohnen. Nur war seine Hütte ein wenig besser eingerichtet.
    Manuel hatte schon so manches Mal staunend vor den Bücherregalen gestanden und sich gewünscht, lesen zu können. Doch nie hatte er sich überwinden können, eine Schule zu besuchen.
    Lautlos näherte er sich dem Haus. Der Pfarrer war noch nicht zu Bett gegangen. In einem der beiden Räume brannte Licht.
    Elektrisches Licht, denn die Leitung war von der Kirche bezahlt worden. Der Anschluß des Telefons ebenfalls.
    Beides brauchte der Pfarrer, um in Notfällen schneller Hilfe anfordern zu können.
    Manuel schlich an den beiden erleuchteten Fenstern vorbei. Er sah den Schatten des Geistlichen, lief zur Tür und klopfte zweimal dagegen. Der Junge öffnete und bekam plötzlich Angst.
    Sie brach aus ihm hervor wie ein Wasserfall aus einer Felsspalte.
    »Padre!« schrie er und taumelte mit ausgebreiteten Armen und weichen Knien in das Arbeitszimmer des Geistlichen. »Die Toten kehren zurück. Die Toten…«
    ***
    Selbst Padre Ramon Sainho hatte bei den Worten des Jungen eine Gänsehaut bekommen, so sehr hatte Manuel geschrien. Angst gepeingt stand er da, und es hatte einige Zeit gedauert, bis es ihm gelungen war, klare Sätze zu sprechen. Bei einer Büchse Cola war es ihm dann wieder besser ergangen, und jetzt saßen sich die beiden unterschiedlichen Männer am Tisch gegenüber.
    Die Angst des Jungen war noch immer nicht vorbei. Bei jedem Laut, der ihm fremd vorkam und den er nicht einstufen konnte, zuckte er zusammen, zitterte und schaute sich ängstlich um.
    »Hier bist du sicher«, erklärte der Pater.
    Die Hände des Jungen fuhren über die Tischplatte. »Nein, niemand ist vor ihnen sicher. Die lebenden Toten bekommen jeden, sage ich Ihnen, Padre. Jeden!«
    »Und weshalb wollten sie dich töten?«
    Manuel hob die Schultern. »Sie haben mich gerochen. Padre, verstehen Sie? Gerochen.« Er öffnete seine Augen noch weiter. »Menschenfleisch wollen sie. Haben Sie nicht selbst von den alten Riten gehört, Padre? Es ist doch schlimm. Meine Großmutter erzählte mir davon. Das ist Voodoo, wenn die Leichen kommen.«
    Der Geistliche, ein Mann zwischen 35 und 40, dessen Haar schon grau geworden war, nahm dies nicht so einfach hin. Er wehrte es auch nicht ab. Mit einer rationalen Erklärung versuchte er, an das Thema heranzugehen. Der Junge wurde ausgefragt. Er mußte genau den Ort nennen, an dem ihm die lebenden Leichen begegnet waren, und der Pfarrer schüttelte den Kopf. »Ein Friedhof liegt nicht in der Nähe.«
    »Dann sind sie von weit hergekommen«, erwiderte Manuel. Er flüsterte über den Tisch hinweg.
    »Von wo?«
    »Ich kann es nicht herausfinden, Padre. Ich bin nur gekommen, weil ich mir keinen Rat mehr wußte. Sie haben nach Grab gestunken, nach Moder.« Er bewegte seine Finger. »Nach altem Fleisch, wissen Sie?«
    Der Geistliche nickte. »Ja, ich habe dich verstanden.«
    »Aber Sie wollen mir nicht glauben?«
    Der Pfarrer hob die Schultern. »Es ist zumindest schwer, Manuel. Du kennst diesen Teil der Stadt, auch ich kenne ihn. Ich weiß, daß die Menschen sehr gläubig sind. Sie sind aber auch abergläubisch. Hier liegen Mystik und Religion dicht beieinander.«
    »Es war umsonst«, hauchte der Junge.
    »Nein, bestimmt nicht. Dein Besuch war nicht umsonst.«
    Manuel verzog das Gesicht. Es sah so aus, als wollte er anfangen zu weinen. »Aber Sie glauben mir doch nicht.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    Der Junge rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. Er wurde aus dem Pfarrer nicht schlau. In dieser Atmosphäre wirkte er auf ihn irgendwie anders als sonst. Es kam ihm alles so beängstigend vor. Das Licht leuchtete nicht das gesamte Zimmer aus. Zudem brannte nur eine Lampe. Die Schatten überwogen. Auch draußen war es nicht völlig ruhig. Manchmal drang ein ferner Schrei zu ihnen, aus dem man nicht heraushören konnte, ob er aus Freude oder aus Schmerz ausgestoßen war. Ab und zu klang das heisere Bellen eines Gassenhundes auf, die Echos rauher Stimmen geisterten ebenfalls durch die schmalen Gassen.
    Manuel drückte sich noch mehr zusammen. Er hatte die Hände gegeneinander gelegt und spürte die feine Schweißschicht, die sich mit dem Staub vermischt hatte. »Glauben Sie mir doch?«
    »Ich denke darüber nach.«
    »Sie wollen es prüfen, nicht wahr?«
    »Das wäre natürlich am besten. Dann könnte man sehen, ob du recht hast. Weißt du, wo sich die Gestalten aufhalten?«
    »Nein.«
    »Wir können
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