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0397 - Wir suchten Jerry Cottons Mörder

0397 - Wir suchten Jerry Cottons Mörder

Titel: 0397 - Wir suchten Jerry Cottons Mörder
Autoren: Wir suchten Jerry Cottons Mörder (2 of 3)
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einfach nicht wahr sein.
    Ich duschte rasch, zog mich an, aber ich tat alles nur wie ein Roboter, der die in seinem Funktionsprogramm festgelegten Bewegungen ausführt. Draußen wurde es allmählich heller, der goldene Schimmer der Morgensonne an den hellen Betontürmen der Wolkenkratzer glitt unmerklich tiefer, und auf dem Fenstersims in meinem Schlafzimmer saß plötzlich ein schlankes, zierliches Rotkehlchen und äugte zu mir herein.
    Wolkenkratzer und Rotkehlchen. Tod und Leben, menschliche Niedrigkeit und animalische Schönheit - in dieser Stadt liegt alles dicht beieinander, und es schien mir nie so wiedersinnig wie an diesem Morgen. Für ein paar Sekunden packte mich eine müde Resignation. Bis das Telefon abermals klingelte.
    »Hier ist Neville«, sagte eine mir so vertraute, polternde, rauhe Stimme. »Ich will mitfahren, Chef. Ich habe Jerry geschult, als er zu uns kam, ich habe ihm beigebracht, was ein 38er ist, von mir mußte er die ersten unfairen Schläge verdauen lernen — ich habe, verdammt noch mal, wohl ein Recht darauf, mitzufahren. Ich will mitfahren, Chef, und ich-«
    »Neville«, unterbrach ich, »ich hätte Sie auch ohne diesen Anruf abgeholt. Warten Sie an der Haustür. Wir sind in ein paar Minuten da.«
    Ich legte auf, bevor er zu einer Erwiderung kam. Das Rotkehlchen war verschwunden. Ich knipste das Licht aus. Als ich schon an der Wohnungstür stand, fiel mir etwas ein. Ich kehrte ins Schlafzimmer zurück und fing an, im Kleiderschrank zu suchen.
    Es ist lange her, aber auch ich habe die Ausbildungskurse des FBI durchlaufen und die FBI-Akademie besucht. Auch ich bin vor vielen Jahren G-man im Außendienst gewesen und trug eine Schulterhalfter unter dem Jackett mit einem Smith & Wesson 38 Special. Es dauerte eine Weile, bis ich den Karton mit der Halfter und der sorgfältig geölten Waffe gefunden hatte.
    Zum ersten Male nach wer weiß wie vielen Jahren schnallte ich sie wieder um.
    ***
    Die Unterlippe der Frau war aufgesprungen. Ein dünner Streifen Blut sickerte an ihrem Kinn herab. Der Hagere war dabei, den Schal in ihrem Genick zu verknoten, nachdem er ihn so straff gezogen hatte, daß das Gewebe fast zu zerreißen drohte.
    »Was soll denn das heißen?« ertönte auf einmal eine kräftige, scharfe Männerstimme.
    Die beiden Gangster fuhren herum. Eine der Türen war aufgegangen, ohne daß sie es bemerkt hatten. Bundesanwalt James A. Baldwin stand auf der Schwelle, in einem blauen Pyjama, aber ohne Morgenrock und Hausschuhe. Trotz seiner achtundvierzig Jahre war er noch immer eine imponierende Gestalt mit dem breiten Brustkorb, dem starken Hals und dem wuchtigen Römerkopf. Sein markantes Gesicht hatte zuerst Staunen und Verblüffung ausgedrückt, jetzt stand helle Empörung darin.
    »Ihr seid wohl verrückt geworden«, polterte er, während die Schläfenadern gefährlich anschwollen.
    »Sieh an, sieh an«, sagte der Hagere hämisch und zog einen Coltrevolver. »Der Herr Bundesanwalt persönlich! Welch eine Ehre! Guten Morgen, Herr Bundesanwalt! Wir stören hoffentlich nicht allzu sehr, Herr Bundesanwalt?«
    Baldwins Gesicht färbte sich noch dunkler. Sein Blick glitt zwischen dem blassen, zum Teil von dem Schal verdeckten Gesicht seiner Frau und den beiden kleinen, gefährlichen Schußwaffen hin und her.
    »Ich würde an eurer Stelle sofort verschwinden«, knurrte Baldwin in nur mühsam gebändigter Wut. »Oder ich -«
    Er stockte. Der Hagere fragte höhnisch:
    »Oder was? Wollen Sie die Polizei rufen, Herr Bundesanwalt? Wie schnll kann sie hier sein? Schneller als in einer halben Minute? So viel Zeit würde uns genügen, Ihre verehrte Gattin mit zwei Kugeln zu versehen, Herr Bundesanwalt!«
    Baldwin preßte die Lippen aufeinander. Er war bei Gott kein Feigling, aber sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, daß er keine Chance hatte. Die beiden Halunken sahen nicht danach aus, als ob sie nur leere Drohungen aussprächen.
    »Was wollt ihr?« stieß er nach kurzem Nachdenken hervor. »Geld?«
    »Geld!« schnaufte der Dicke verächtlich. »Von Ihnen wollen wir etwas mehr als nur ein paar Geldscheine. Heben Sie die Arme hoch! Und versuchen Sie nicht, uns ’reinzulegen! Sie würden den kürzeren ziehen, und Ihre Frau hätte es auszubaden. Seien Sie ein Kavalier, Herr Bundesanwalt. Man läßt doch seine Frau nicht für die eigenen Fehler bezahlen, nicht wahr, Herr Bundesanwalt?«
    »Schenken Sie sich Ihre Späße!« fauchte Baldwin. »Was wollen Sie?«
    »Gehen Sie langsam vor uns her. In
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