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038 - Der Rächer

038 - Der Rächer

Titel: 038 - Der Rächer
Autoren: Edgar Wallace
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»Als Statistin verdient man doch nicht genügend. Vielleicht wenn ich einer der Direktoren wäre, die Riesenfilme mit Wagenrennen veranstalten - und Millionen verschwenden! Aber Sie wissen ja, dass ich nicht soviel Geld zur Verfügung habe. Wenn ich einen Film drehe, dann genügen mir fünf Hauptrollen.«
    »Ich habe etwas Zuschuss vom Vermögen meiner Mutter, und außerdem schreibe ich«, sagte das junge Mädchen schüchtern.
    Sie brach ab, als sie bemerkte, dass er nach dem Ateliereingang schaute, und drehte sich nach dorthin um. Eine merkwürdige Persönlichkeit stand dort. Zuerst vermutete sie einen Schauspieler, der zu einer Filmprobe kostümiert war.
    Es war ein älterer Herr, aber sein aufrechter Gang und seine hohe Gestalt ließen ihn jünger erscheinen. Er trug einen knapp anliegenden Rock mit langen Schößen. Seine Hosen waren mit Lederbügeln an den Schuhen befestigt. Der hohe, steife Kragen und die schwarzseidene Halsbinde gehörten dem Schnitt nach der Vergangenheit an, aber sie waren funkelnagelneu. Seine weißen Leinenmanschetten lagen über den Handgelenken, und seine zweireihige Weste aus grauem Samt war mit goldenen Knöpfen verziert. Es machte ganz den Eindruck, als ob ein Familienporträt der fünfziger Jahre zum Leben erwacht wäre. In seiner behandschuhten Rechten hielt er einen großen Hut mit geschweifter, breiter Krempe, in der anderen einen Spazierstock mit goldenem Knauf. Sein tiefgefurchtes Gesicht hatte einen angenehmen, ruhigen und wohlwollenden Ausdruck. Es schien ihm nicht bewusst zu sein, dass seine Kleidung durchaus nicht mehr in diese Zeit passte. Jack Knebworth erhob sich schnell und ging dem Fremden entgegen.
    »Mr. Longvale, ich freue mich sehr, Sie bei mir zu sehen -haben Sie meinen Brief bekommen? Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr Sie mich dadurch verpflichtet haben, dass Sie mir Ihr Haus überlassen wollen.«
    Das Mädchen erkannte nun Mr. Sampson Longvale. Es war der Herr, der unten in Dower House wohnte. In ganz Chichester war er nur unter seinem Spitznamen »der altmodische Herr« bekannt. Als sie einmal Außenaufnahmen machten, zeigte ihr jemand das große, geräumige Haus mit dem verwilderten Garten und den schiefen Mauern, in dem er wohnte. »Ich dachte, es wäre das beste, wenn ich Sie einmal besuchte«, sagte der Fremde mit wohlklingender Stimme.
    Sie erinnerte sich nicht, jemals ein so klangvolles Organ gehört zu haben, und sah den merkwürdigen Mann mit großem Interesse an.
    »Ich hoffe, dass das Haus und das Grundstück sich für Ihre Zwecke eignen werden. Ich fürchte nur, dass das Anwesen nicht sehr in Ordnung ist, aber ich kann den Besitz leider nicht in so gutem Zustand halten wie mein Großvater.«
    »Das ist ja gerade das, was ich brauche, Mr. Longvale. Ich dachte schon, ich hätte Sie verletzt, als ich bat -«
    Der alte Herr unterbrach ihn mit einem leisen Lachen. »Nein, ich war durchaus nicht beleidigt. Sie brauchen ein Haus, in dem es spukt, und ich konnte Ihnen nun gerade ein solches anbieten. Aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass Sie der Geist meiner Ahnfrau nicht belästigen wird. In Dower House spukt es schon seit mehreren hundert Jahren. Einer meiner Vorfahren hat in einem Anfall von Wahnsinn seine Tochter ermordet, und man nimmt an, dass der Geist dieser unglücklichen Frau umgeht. Ich habe sie niemals zu Gesicht bekommen, aber vor einigen Jahren hat sie einer meiner Dienstboten gesehen. Ich habe mich von diesen Unannehmlichkeiten befreit, indem ich alle meine Dienstboten entließ«, fügte er lächelnd hinzu. »Aber wenn Sie eine Nacht dort zubringen wollen, wird es mir ein Vergnügen sein, fünf oder sechs Leute Ihrer Gesellschaft mit einzuladen.«
    Knebworth seufzte erleichtert auf. Trotz eifrigen Bemühens hatte er in der Nähe keine Unterkunft für seine Leute finden können. Es lag ihm aber viel daran, Nachtaufnahmen zu machen, und gerade für eine Szene brauchte er das gespenstisch blasse Licht des Morgengrauens.
    »Ich fürchte, das wird Ihnen zuviel Umstände machen, Mr. Longvale«, sagte er. »Wir müssen auch noch die schwierige Frage der Entschädigung -«
    Der alte Herr brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    »Bitte, sprechen wir nicht vom Geld«, sagte er bestimmt. »Ich interessiere mich sehr für Filmaufnahmen. Ich beschäftige mich wirklich gern mit den modernsten Dingen. Im allgemeinen sind die alten Leute ja geneigt, die Fortschritte der Neuzeit abzulehnen, aber mir ist es ein großes Vergnügen, die
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