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0368 - Der Henker kam nach 20 Jahren

0368 - Der Henker kam nach 20 Jahren

Titel: 0368 - Der Henker kam nach 20 Jahren
Autoren: Der Henker kam nach 20 Jahren
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offen und knarrte in den Angeln.
    Zehn Sekunden später stand ich vor der Tür. Ich schob die Hand in den Jackenausschnitt, spürte den Griff der 38er zwischen den Fingern und stieß die Tür mit einem Fußtritt völlig auf.
    Der Mann lag mit den Füßen zur Tür, und zwar so nahe, daß die Tür nur um Daumenbreite an den Sohlen seiner Schuhe vorbeistrich. Er lag auf dem Rücken, seine Schuhspitzen zeigten nach oben.
    Ich ging hinein und beugte mich über ihn. Sein Gesicht war nach der Seite gedreht. Das Profil hob sich von dem dunklen Boden ab, eine scharfe, gekrümmte Nase, ein vorspringendes Kinn, buschige Augenbrauen, eine niedrige, fliehende Stirn und weiße Haarbüschel über den Ohren, wie die gesträubten Federn eines Raubvogels, ein »Geiergesicht«, das Gesicht William McCouns.
    ***
    Der Mann war tot. Sein Hemd und seine Jacke waren mit Blut durchtränkt. Vier Kugeln mußten seine Brust durchbohrt haben.
    Nach zwanzig Jahren also hatte William McCoun seinen Kumpan Sidney Carlyle wiedergefunden.
    Die Männer, die zusammen einen Goldtransport beraubten, hatten sich nach zwanzig Jahren wiedergesehen, beide alt, beide gezeichnet.
    Und wie vor zwanzig Jahren, waren sie wieder wegen der gleichen Beute aneinandergeraten, war Streit zwischen ihnen ausgebrochen, und wieder hatten sie zu den Waffen gegriffen.
    Aber dieses Mal hatte William McCoun den kürzeren gezogen. Vor zwanzig Jahren schoß er Sidney Carlyle nieder. Dieses Mal wurde er getötet.
    Vorsichtig schlug ich die Jacke des Toten zurück. Ich sah den Griff einer schweren Pistole, die in einer abgeschabten Achselhalfter steckte.
    McCoun war nicht einmal dazu gekommen, die Waffe zu ziehen. Ich nahm sie heraus. Es war ein altes Modell, und als ich das Magazin aus dem Griff gleiten ließ, sah ich, daß zwei Kugeln fehlten. McCoun hatte die Kugeln nicht erneuert, die er auf uns in der Toreinfahrt verfeuert hatte. Wahrscheinlich besaß er nicht mehr Munition.
    Ich hörte ein Geräusch hinter mir und fuhr herum. Ted Ward stand im Eingang und starrte auf den Toten.
    Er setzte zum Sprechen an.
    »Ist… ist er tot?«
    »Das siehst du doch.«
    Der Junge wurde so bleich, daß seine Sommersprossen wie Masernflecken hervortraten. Er schloß die Augen und fiel ohnmächtig um, bevor ich nach ihm greifen und ihn auffangen konnte.
    Ich kümmerte mich um ihn. Er schien sich bei dem Sturz nicht verletzt zu haben. Ich machte mich auf die Suche nach Wasser und fand eine Leitung an der Außenwand, unmittelbar neben der Brettertür zum Anbau.
    Der Raum dahinter war fensterlos, aber durch die Tür fiel genug Licht, so daß ich einen alten Lieferwagen erkennen konnte.
    Der Anblick des Schlittens brachte mich auf einen Gedanken. Ich war sicher, daß das der Wagen war, mit dem Carlyle und der Junge nach New Rochelle gefahren waren. Wenn Carlyle seinen alten Kumpan McCoun getötet hatte und dann getürmt war, warum hatte er seinen Wagen nicht mitgenommen? Und war es überhaupt sicher, daß Carlyle der Mörder war? Calhoun hatte sich zuletzt zweifellos in der Gesellschaft Jim Kilroys befunden, und das konnte bedeuten, daß Carlyle nicht getürmt war, sondern daß Kilroy ihn mit McCouns Hilfe gefunden hatte, und daß Kilroy den alten McCoun erschossen hatte.
    Ich rannte zur Hütte, sprang über den ohnmächtigen Jungen und kniete noch einmal neben dem Toten nieder. Ich berührte seine Augenlider, bog die Finger seiner Hand. Okay, ich bin kein Arzt, aber ich habe leider genug Tote sehen müssen, um einigermaßen die Zeichen zu kennen, aus denen man schließen kann, wann der Tod eingetreten ist.
    William McCoun war nicht erst vor wenigen Stunden ermordet worden. Er war seit mindestens fünfzehn Stunden tot, und das bedeutete, daß ich zu pät kommen konnte.
    Ich stürzte mich auf Ted Ward, faßte ihn an den Jackenaufschlägen, zog seinen Oberkörper hoch und begann, ihn zu schütteln.
    Tatsächlich schlug der Boy nach wenigen Minuten die Augen auf.
    »Hör zu, mein Junge! Du rennst auf dem kürzesten Weg zur nächsten Polizeistation, berichtest, was hier geschehen ist, und sagst ihnen, sie sollen den G.-man Phil Decker informieren. Außerdem sagst du ihnen, ich sei nach New Rochelle gefahren. Ich würde mich dort an den Sheriff wenden. Hast du kapiert?«
    Er brachte ein schwaches Nicken zustande. Ich stellte ihn auf die Füße. Dabei fiel sein Blick auf den Toten, und er verdrehte wieder die Augen.
    Ich schob ihn ins Freie.
    »Hau ab!« schrie ich.
    Er rannte, erst noch unsicher, aber
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