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0366 - Er kam aus der Tiefe

0366 - Er kam aus der Tiefe

Titel: 0366 - Er kam aus der Tiefe
Autoren: Werner Kurt Giesa
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grinste und biß hinein, um sie auf ihre Echtheit zu prüfen.
    »Hund!« fuhr der Offizier auf. »Wagst du, unsere Ehrlichkeit zu bezweifeln?«
    Der Sklave schüttelte nur den Kopf, tauchte blitzschnell hinter der Theke unter und tauchte ebenso blitzschnell wieder auf, mit beiden Händen einen großen, gefüllten Krug haltend, den er den beiden Offizieren aushändigte.
    Sie wandten sich zum Gehen. Der zweite sah Zamorra und Li am Fenster und stutzte. Stirnrunzelnd blieb er stehen.
    »Ei«, sagte er. »Du siehst jung und kräftig auf, Bursche. Warum dienst du nicht in der Armee des Königs?«
    Zamorra zuckte zusammen. Die Stimme kannte er. Das durfte doch nicht wahr sein! Aber der Sprecher schien nicht die Absicht zu haben, ihn hier mit Namen anzureden. Denn erkannt hatte er Zamorra allemal! Seine Frage war eine reine Provokation.
    »Ich diene meinem König auf andere Weise«, erwiderte Zamorra schnell.
    Der Offizier sah ihn scharf an, dann folgte er seinem Gefährten nach draußen. In der Tür sah er sich noch einmal um.
    »Du hast mich erkannt wie ich dich, nicht wahr?« sagte er. »Du solltest zurückkehren in die Welt, aus der du kommst. Hüte dich, meine Kreise zu stören.«
    »Ich weiß nicht, wovon Ihr redet, Offizier«, sagte Zamorra scheinbar gleichmütig.
    Der Offizier trat endgültig ins Freie.
    »Was ist das für eine Welt? Warum hat er Welt gesagt und nicht Land oder Stadt?« fragte Li, während draußen der König den Weinkrug an die Lippen setzte.
    »Ich weiß es nicht«, wich Zamorra aus. Was zum Teufel machte Wang Lee Chan hier? Mit ihm hatte Zamorra zuallerletzt gerechnet. Aber er war es, und er war Offizier in der Leibgarde des Königs! Die Stimme allein hätte noch eine bloße Ähnlichkeit sein können, auch die Statur - aber die Andeutungen und die Warnung waren zu deutlich gewesen. Er war es, der mongolische Leibwächter des Höllenfürsten!
    Warum war er hier?
    Und wer - oder was - befand sich in der Sänfte? Immerhin ritt der König doch vorn zwischen seinen Gardisten!
    Zamorra beschloß, sich diese Sänfte einmal näher anzusehen, auch auf das Risiko hin, daß er sich den Zorn des Königs und seiner Offiziere zuzog. Notfalls hoffte er schnell genug in der Menge der Schaulustigen untertauchen zu können, die hier anschaulich vor Augen geführt bekamen, wie der König die Abgaben verwendete, die er ihnen abknöpfte. Zamorra entsann sich eines Ausspruches des römischen Kaisers Caracalla, der gesagt hatte: »In diesem Staat gibt es nur einen, der Geld haben darf - ich. Und ich gebe es meinen Soldaten.«
    Zumindest die kostbar ausstaffierte Leibgarde litt sicher keine Not in Faronar und Umgebung.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte Zamorra, löste sich von der süßen Li und trat auf den hölzernen Gehsteig hinaus, der links und rechts der Straße errichtet worden war; eine recht nützliche Erfindung, wenn es regnete und die Straße sich in eine Schlammbahn verwandelte. In gleichmäßigen Abständen erhoben sich große Steinplatten, weit genug auseinander, daß ein Wagen oder eine Kutsche hindurchfahren konnten, nahe genug beieinander, daß man die verschlammte Straße trockenen Fußes überqueren konnte. Im Amerika der Pionierzeit hatte man diese Gehsteige verwendet, und die alten Römer hatten die Gehsteige aus Stein errichtet. Nützliche Erfindungen wiederholten sich anscheinend in jeder Welt und in jedem Zeitalter.
    Die grelle Vormittagssonne blendete Zamorra einen Moment lang; er zwinkerte und schlenderte in Richtung der Sänfte.
    Dann war er direkt neben ihr und konnte durch die halb offenen Vorhänge einen Blick hinein werfen. Auf weichem Samtkissen ruhte eine junge Frau.
    Ihr Anblick traf Zamorra wie ein Blitzschlag.
    Sid Amos hatte also recht behalten!
    ***
    Grüner, fetter Rauch stieg träge aus der tönernen Schale empor. Die Flammen leckten rechts und links an dem Gefäß hoch, und wo immer sie den Rauch berührten, knisterten Funken. Der flackernde Schein hüllte das Gewölbe in ein jagendes Spiel aus Dämmerlicht und tiefster Finsternis.
    Eine spinnenfingrige braune Hand schob sich aus einem weiten Kuttenärmel hervor. Zwischen den Fingern rieselte graues Pulver in die Schale. Der Rauch änderte schlagartig seine Farbe, und von einem Moment zum anderen stieg er nicht mehr träge empor, sondern schoß als armdicker bläulicher Strahl pfeilschnell zur Kuppeldecke des Gewölbes.
    Dort entstand ein Bild.
    Eine Zeichnung, wie von Geisterhand gefertigt. Der bläuliche Strahl füllte die
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