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0364 - Mongolenfluch

0364 - Mongolenfluch

Titel: 0364 - Mongolenfluch
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sich.
    Zufriedenstellend war allerdings übertrieben. Sie hatten das Ersatzrad vorn montiert, damit der Wagen einigermaßen lenkbar blieb. Hinten rechts hing er nach wie vor durch, aber sie bemühten sich, die Last so zu verteilen, daß hinten rechts der Wagen am leichtesten war. Der Allradantrieb sorgte dafür, daß er weiter vorwärtskam, aber immer wieder wippte er und setzte hinten auf der Felge auf. Die würde unbrauchbar bleiben.
    Aber sie fuhren.
    Langsam holperten sie durch die Steppenlandschaft, die mehr und mehr Wüstencharakter annahm.
    »Früher war es hier etwas fruchtbarer«, sagte Wang Lee. »Wenn auch nicht viel… aber wir hatten genug Wasser für die Stadt. Das war wichtig. Alles andere wäre über kurz oder lang durch den Handel gekommen, und durch die Schutzgebühren von den Karawanen. Aber dann kam Temudschin…«
    Unwillkürlich klammerte Wang seine Hände um das Lenkrad, als wolle er es zerdrücken. Zamorra hatte den Eindruck, Wang fühle in diesem Moment den Hals des Dschinghis Chan zwischen seinen Fäusten…
    »Und ich konnte ihn nicht mehr töten«, keuchte Wang. »Diesen tausendfachen Mörder und Mädchenschinder, diese Bestie in Menschengestalt… Dabei war ich ihm so nah, so nah…« Er schrie laut und zornig.
    In diesem Moment ging es viele, viele Kilometer weiter nördlich wie ein Ruck durch den an seinen Standort gebundenen Dämon. Ein heftiger Stoß rann durch seinen Körper und führte ihm Kraft zu.
    Kraft, aus Haß geboren.
    Und da wußte der Dämon, daß Wang noch lebte. Und er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf ihn und seine Umgebung und sah, daß sie alle noch lebten. Nur die Dienerin war gestorben.
    »Er ist auch so gestorben«, sagte Zamorra. »Und seine Söhne konnten das riesige Reich nicht mehr halten. Schließlich war alles umsonst.«
    »Dennoch. Er tötete meine Familie, entführte meine Frau. Und…«
    Wang brach ab. Er schloß die Augen, drehte den Kopf leicht, aber Zamorra, der neben ihm saß, hatte dennoch erkannt, daß Wangs Augen feucht geworden waren. Er atmete tief durch. Der stahlharte, tödliche Kämpfer zeigte Gefühle. Er kannte so etwas wie Liebe, und wiederum wunderte sich Zamorra. Ein Mann mit Gefühlen diente den Höllenmächten?
    Der Parapsychologe versuchte, seine schwachen telepathischen Fähigkeiten einzusetzen. Aber er schaffte es nicht. Er war nicht in der Lage, Wangs Gedanken zu lesen.
    Nun, irgendwann würde es eine Erklärung geben.
    Wang Lee aber dachte an Su Ling.
    ***
    Su Ling dachte an Wang Lee. Wo mochte sich dieser Mann jetzt befinden? Sie verlor immer mehr den anfänglichen Schrecken. Und irgendwann während der langen Fahrt wurde ihr bewußt, daß sie ihn viel besser kannte, als sie bisher angenommen hatte.
    Und sie kannte auch die Ruinenstadt..
    Sie war doch schon in Ghet-Scheng gewesen - sie, die zum ersten Mal den asiatischen Kontinent bereiste. Aber damals war Ghet-Scheng noch keine Ruine gewesen. Damals pulsierte noch das Leben.
    Damals… ?
    Aber das war doch unmöglich.
    Es wurde Nacht, und sie fuhren immer noch. Sie mußten inzwischen schon fünfhundert Kilometer oder mehr von Ansi entfernt sein. Genau ließ es sich nicht bestimmen; der alte Pickup-Wagen besaß zwar einen Tachometer, aber keinen Kilometerzähler.
    Da tauchten Ruinen in der Nacht auf. Sie lagen im Mondlicht. Steine, die sich nur wenig vom ödgewordenen Boden abhoben. Der Wagen rollte darauf zu. Das Scheinwerferlicht riß Konturen aus der Dunkelheit.
    Und da waren Menschen!
    Sie näherten sich dem am Rand der Stadt ausrollenden Wagen. Als sie das Scheinwerferlicht durchschritten, sah Su Ling in ihren Gesichtern denselben seltsamen Ausdruck, den sie auch bei dem Fahrer des Pickups registriert hatte. Sah dieselben eckigen Bewegungen…
    Diese Menschen waren wie der Mann,, der sie hierher gebracht hatte.
    »Steig aus. Du hast dein Ziel erreicht«, sagte der Fahrer.
    Von draußen wurde die Tür geöffnet. Eine Hand griff nach Su Lings Arm, zog. Sie schwang sich ins Freie, eher widerwillig, aber sie mußte dem Zwang gehorchen. Der andere, der innere Zwang, hierher zu kommen, fiel von ihr ab. Ihr seelischer Kompaß erlosch. Sie war in Ghet-Scheng. In einer Stadt, die so fremd war, weil sie keine Stadt mehr war. Schon seit mehr als siebenhundert Jahren…
    Verweht vom Wind der Zeit.
    Die Autotür schloß sich, der Wagen wendete und rollte in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.
    »Halt!« schrie Su Ling. »He, sie können doch nicht einfach…«
    Doch, er
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