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0361 - Am Tor zur Hölle

0361 - Am Tor zur Hölle

Titel: 0361 - Am Tor zur Hölle
Autoren: Werner Kurt Giesa
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so vor den Höhleneingang, daß vielleicht eine geschmeidige Katze, aber niemals ein Mensch herausgekommen wäre.
    Für einen kurzen Augenblick herrschte Schweigen in der Höhle. Dann begannen die Griechen laut zu jammern und zu schreien. Sie hatten den sicheren Tod vor Augen, dem sie nicht entkommen konnten. Ein erbärmliches Ende zwischen den Klauen und den Zähnen des Zyklopen. Einige von ihnen verfluchten die Götter, warum sie nicht im Kampf gefallen wären. Nur Odysseus schwieg. Kreidebleich und schwankend stand er neben dem Meister des Übersinnlichen.
    »Sie sind mir bis hierher gefolgt, Zamorra!« sagte er leise. »Welches Opfer muß ich noch bringen, um sie aus dieser verfluchten Höhle zu retten?«
    »Niemand wird ein Opfer bringen!« gab Professor Zamorra zurück.
    »Wir werden dieses einäugige Ungeheuer bekämpfen und besiegen!«
    »Und wie willst du es anstellen, diesen Riesen zu erschlagen?« Das Lachen des Odysseus klang bitter. »Er ist so groß und gewaltig, daß selbst Zeus und die Götter des Olymp Mühe hätten, ihm beizukommen!«
    »Mit Mut, List und Geschicklichkeit mag viel gelingen«, sagte Zamorra.
    Insgeheim hoffte er, daß Odysseus nun die berühmte List ersann. Der Sage nach hatte Odysseus starken Wein mitgebracht. Er gab dem Zyklopen davon zu trinken, daß dieser im Vollrausch zu Boden ging und einschlief.
    Dann machte er einen Holzpfahl glühend und bohrte ihn in das eine Auge des Zyklopen. Der so Geblendete konnte die flinken Griechen nicht mehr erwischen. Andere Zyklopen, die auf das Gebrüll Polyphems herbeieilten, verließen ihn wieder, als Polyphem ihnen das berühmte:
    »Niemand will mich ermorden!« zurief. Als Polyphem dann die Höhle öffnete, um seine Ziegen und Schafe auf die Weide zu lassen, entkamen Odysseus und die Griechen, indem sie sich unter die Bäuche von drei zusammengebundenen Hammeln hängten. Der Zyklop tastete die Tiere nur auf dem Rücken ab. So entkam der listenreiche Odysseus der tödlichen Falle des Zyklopen in der Sage.
    Zamorra bebte bei dem Gedanken, wie sich die Sache wirklich abgespielt haben mochte. Es sah nicht so aus, als ob Odysseus einen Ausweg fand. Dazu kam, daß sie keinen Wein dabei hatten.
    Aber die Körbe mit den reifen Weintrauben waren da. Und Professor Zamorra, der Meister des Übersinnlichen, hatte mit seinen Zauberkräften die Möglichkeit, den Gärprozeß des Weines zu beschleunigen, wenn er einen gewissen Zusatz aus diversen Kräutern dem Traubensaft beimischte.
    Im frischen Grünfutter, das in einer Ecke der Höhle für die Ziegen und Schafe lag, erkannte Zamorra die Kräuter, die er als Zutaten für das Elixier benötigte. Er mußte also selbst dafür sorgen, daß Wein hergestellt wurde.
    Denn sonst war der mächtige Zyklop nicht zu besiegen.
    Wenn er zu jeder Mahlzeit zwei Griechen verspeiste, dann konnte man einfach errechnen, wann man selbst an der Reihe war.
    Zamorra wußte, daß er sehr schnell handeln mußte.
    ***
    Mit knappen Worten erklärte Zamorra seinen Plan. Nur Odysseus begriff, was der Meister des Übersinnlichen meinte. Die anderen Griechen waren so vom Todesgrauen ergriffen, daß sie sich in einer Ecke der Höhle zusammendrängten wie eine Schafherde beim Gewitter.
    Von draußen klang das laute Schnarchen des Zyklopen herein. Das mächtige Ungeheuer war satt und schlief tief und fest. Aber außerhalb der Höhle war ihm nicht beizukommen.
    »Wenn der Plan versagt, ist es unser Tod!« sagte Odysseus düster.
    »Was auch immer geschieht – wir werden auf jeden Fall sterben!« gab Professor Zamorra zurück. »Der Zyklop läßt niemanden von uns am Leben. Also befiel deinen Männern, die Trauben in einem der Schalengefäße des Riesen zu zerstampfen. Ich werde in der Zeit sehen, daß ich die nötigen Kräuter finde und das Elixier herstelle. Und noch eins, Odysseus!« flüsterte er dem Fürsten von Ithaka zu. »Sage deinen Männern nicht, daß der Trank nicht vor morgen abend fertig ist. Sei auf der Hut, wenn der Zyklop morgen wieder zwei Männer packt, um sie zu fressen!«
    »Es ist bitter zu wissen, daß weitere meiner Freunde sterben müssen!« flüsterte der Fürst von Ithaka. Dann ging er hinüber zu den Griechen und trieb sie mit Drohworten zu einem Tongefäß, das dem Riesen als Eßnapf diente. Es war so groß, wie einer der Kornspeicher von Troja.
    Jammernd und mit mürrischen Gesichtern schütteten die Männer die mitgebrachten Trauben herein und stampften sie mit den bloßen Füßen.
    Mit einem Helm schöpfte
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