0337 - Der »Sanfte« kennt jeden Trick

verschwand.
    ***
    Ich brauchte Minuten, um mich zu befreien. Ich schüttelte das Zeug ab, das mir auf dem Rücken lag, bekam aber die Beine nicht frei. Schwer lastete etwas darauf.
    Ich drehte mich in den Hüften, griff hin, fühlte den Körper eines Menschen, wälzte mich mit aller Kraft herum und schob den Mann von meinen Beinen herunter. Er gab kein Lebenszeichen von sich und war sehr schwer.
    Im Hauptraum schrieen sie immer noch. Eine Frau wimmerte in hohen Tönen wie ein Kind. Die Dunkelheit war undurchdringlich wie die ägyptische Finsternis. Sämtliche Lampen mussten bei der Explosion entzweigegangen sein.
    Ich stellte mich auf die Füße und versuchte, die Richtung zum Hauptraum einzuschlagen, stolperte über etwas, das einmal ein Stuhl gewesen sein mochte, und ging zu Boden, kam wieder hoch und erwischte die-Verbindung zum Hauptraum. Eine Tür gab es nicht mehr.
    Die eigentliche Kneipe besaß zwei Fenster. Eine Straßenlaterne warf einen kläglichen Lichtschein in die Bude, aber ich konnte nicht mehr erkennen als ein paar hin und her rennende Gestalten, die alle wie die Irren schrieen.
    Ich brüllte: »Macht Licht, zum Kuckuck! Wo ist der Besitzer der Bude?«
    Von irgendwoher wurde »Hier!«, gerufen.
    »Besorgen Sie Licht! Lös. Mann gebrauchen Sie Ihren Verstand!«
    Ich stolperte in Richtung der Theke prallte gegen einen Mann, der aufschrie und wie irre um sich zu schlagen begann. Mit einer Armbewegung schob ich ihn zur Seite.
    Hinter,,der Theke glühte die Flamme eines Streichholzes auf. Ich stolperte darauf zu. Das Streichholz erlosch. Der Kaschemmenwirt riss ein zweites an, fand endlich eine Kerze und brannte sie an.
    Im flackernden Licht schwang ich mich über die Theke. Sie war mit Glassplittern übersät.
    Ich nahm dem Mann die Kerze aus der zitternden Hand.
    »Das Telefon?«
    »Dort… hat es gestanden!«
    Der Apparat lag zwei Schritte von seinem Platz auf der Erde. Ich führte den Hörer ans Ohr. Die Leitung war nicht tot. Auch die Wählerscheibe ließ sich drehen.
    Ich drehte die Notrufnummer. Die Zentrale des Streifendienstes meldete sich.
    »Schicken Sie Ihre Leute los. Alarmieren Sie einige Ärzte und mehrere Unfallwagen. Ein paar Gangster spielten hier Krieg!«. Ich nannte die Adresse der Kneipe, drückte die Gabel herunter und wählte die Privatnummer meines Freundes Phil.
    »Steig in die Hosen«, sagte ich. »Fahre nach College Point, Cove Boulevard 63 zu einem gewissen Harvey Frost und stelle fest, wo er sich aufhält. Das gilt auch für Harry Syth. Er wohnt im gleichen Haus.«
    »Für wen noch?«, fragte Phil grollend.
    »Für die Frau dieses Syth«, sagte ich und warf den Hörer auf die Gabel.
    ***
    Die Kaschemme lag im grellen Licht der Polizeischeinwerfer wie die Dekoration eines Filmateliers, in dem die Aufnahme einer Saalschlacht gefilmt werden soll. Aber das hier war kein Film, sondern Ernst, blutiger Emst.
    Vier Ärzte bemühten sich um die Verletzten. Es war fast unglaublich, dass die Schießerei und die Explosion im Hauptraum keine Todesopfer gefordert hatten. Offenbar hatte eine Menge Leute während meiner Unterredung mit Bariano die Kneipe verlassen. Ein knappes Dutzend mochte zurückgeblieben sein. Fast alle hatten kleinere Verletzungen durch Splitter und Stürze. Zwei hatten bedenkliche Verwundungen durch Kugeln aus den Maschinenpistolen.
    Im Nebenraum gab es zwei Tote. Der eine war ein Leibwächter des Gang-Chefs, der andere Bariano selbst. Der zweite Leibwächter war unverletzt davongekommen.
    Ich stand dabei, als ein Arzt die Opfer des Überfalls untersuchte. Er beugte sich über den Leibwächter.
    »Genick gebrochen«, sagte er und ging zu Bariano hinüber.
    Barianos Leiche lag neben dem umgestürzten Tisch. Der Doc untersuchte den Körper. Er tat es gründlich, und als er aufstand, schüttelte er den Kopf:
    »Durch die Explosion ist er nicht verletzt worden«, sagte er. »Ihn töteten Maschinenpistolenkugeln. Sie sind aus ziemlicher Nähe auf ihn abgefeuert 12 worden. Die Einschüsse liegen alle dicht nebeneinander in seiner Brust. - Wurde er erschossen, bevor diese Handgranate oder was es immer war, explodierte?«
    »Nein, danach.«
    »Unmöglich. Danach gab es kein Licht mehr, und der Mann kann nicht zufällig so gründlich erwischt worden sein.«
    »Sie benutzten eine Taschenlampe, Doc. Sie hatten es auf ihn abgesehen, und sie waren kaltblütig genug, ihn zu suchen.«
    Er sah mich über die Ränder seiner Brille an.
    »Ein Wunder, dass Sie verschont wurden,