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0332 - Besuch beim Geisterhenker

0332 - Besuch beim Geisterhenker

Titel: 0332 - Besuch beim Geisterhenker
Autoren: Jason Dark
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Hut zu essen«, vollendete ich. »Plattgeschlagen haben Sie ihn ja schon.«
    Tanner bekam einen Schreck. »Das macht der Überschwang«, erklärte er. »Habe ich gar nicht bemerkt.«
    Ich stand auf. »Wenn ich etwas herausgefunden habe, bekommen Sie es als erster zu wissen.«
    »Darauf warte ich.« Tanner hatte sich ebenfalls erhoben. Über den Schreibtisch hinweg reichte er mir die Hand. »Viel Glück.«
    »Das muß ich wohl brauchen.«
    »Ich habe noch etwas für Sie, Sir!« hörten wir die Stimme einer Frau.
    Tanners Sekretärin hatte das Büro betreten. Auf ihrem rechten Handteller trug sie ein Glas mit Senf.
    »Was soll ich denn damit?« fragte Tanner.
    Ich konnte es mir schon vorstellen und grinste wie ein Honigkuchenpferd.
    »Sir, ich hörte, daß Sie Ihren Hut essen wollen. Da dachte ich mir, Salz und Pfeffer allein reichen nicht aus. Ich wollte noch ein wenig Senf bringen. Wegen des Geschmacks, wissen Sie…«
    Lachend verließ ich das Büro. Tanners Heulen vernahm ich noch auf dem Gang, wo die Kollegen standen und feixten.
    Auch bei der Polizei muß es hin und wieder mal lustig zugehen.
    Sonst hat alles keinen Sinn.
    ***
    Obwohl es windstill war, ächzte der Galgen! Das Stöhnen der Gehenkten schien den unheimlichen Raum zu durchdringen. Die Schlinge, sorgfältig geknüpft, bewegte sich leicht. Sie pendelte von einer Seite auf die andere, als wollte sie die Personen herlocken, die ihre Hälse noch in das Oval stecken sollten.
    Etwas baute sich um den Galgen herum auf. Eine nicht sichtbare Aura, die ein sensibler Mensch jedoch gefühlt hätte und wahrscheinlich fluchtartig weggerannt wäre.
    Eine unheimliche Vergangenheit lag auf der Lauer. Die Seelen der Getöteten lauschten. Sie lagen in einer Lauerstellung, um irgendwann einmal zurückzukehren.
    Keine Ruhe sollten sie finden. Für alle Ewigkeiten zwischen dem Diesseits und dem Jenseits umherirren, bis jemand kam, der sie rief und sie wieder zum Galgen brachte.
    Die Zeit war lang gewesen.
    Doch nun war sie vorbei…
    Der Schrecken manifestierte sich…
    Keine Hand hatte es berührt. Dennoch jagte das Beil der Guillotine nach unten und hämmerte auf den Holzkopf mit der Einkerbung, wo früher der Hals des Delinquenten gelegen hatte. Einige Splitter brachen aus dem Klotz hervor und sprangen in den Korb, der vor dem Fallbeil stand.
    Der Mann, der alles mit angesehen hatte, begann zu zittern. Er stand mit eingeschalteter Lampe vor der Guillotine und sah, wie sich das Licht blitzend auf der Breitseite des Beils brach.
    Angstschauer jagten über den Rücken des Wächters, der ein paarmal schluckte und die Lippen bewegte, ohne ein Wort zu sprechen.
    Auf den Handflächen hatte sich Schweiß gesammelt.
    Viele Jahre tat er Dienst als Wächter. So etwas hatte er noch nie erlebt, das ging nicht mit rechten Dingen zu. Keine Sekunde länger wollte er in dem Raum bleiben, warf sich auf dem Absatz herum und floh nach draußen.
    Um seine kleine Kabine zu erreichen, mußte er durch den langen Gang, in dem es zu jeder Zeit nach Bohnerwachs roch. Der Boden war glatt. Fast wäre der Mann noch ausgerutscht, und als er seine Kabine erreichte, warf er sich in sie hinein, hämmerte die Tür zu und ließ sich auf den alten Drehstuhl fallen.
    Sein Herzschlag hatte sich verdoppelt. Lippen und Hände zitterten. Er schaute auf den kleinen Monitor, sah den Eingang und dahinter einen Teil des Vorgartens im Dunkel verschwimmen.
    Da war niemand. Die Augen der Kameras hätten es ihm gezeigt.
    Dennoch war das Fallbeil nach unten gefallen. Dabei wurde die Guillotine ständig überprüft, auch das Band erneuerte man sehr oft, denn die Sicherheitsbeschränkungen waren optimal.
    Und nun passierte so etwas.
    Eine Erklärung hatte der Nachtwächter nicht. Und auch nicht für das nächste Geräusch, das ihn aufschreckte.
    Es war im Gang aufgeklungen, jedenfalls hörte es sich so nahe an.
    Und es war ein Rasseln.
    So rasselten Ketten.
    Aber wer trug die?
    Höchstens der Duke of Burlington, der dreißig Jahre seines Lebens in einem Verlies zugebracht hatte, weil er die Königin damals nicht hatte anerkennen wollen. Man hatte ihn in Ketten gelegt. Als Sechzigjähriger war er auch in den Ketten gestorben. Die Legende berichtete, daß sein Geist keine Ruhe fand und man nachts hin und wieder das Klirren von Ketten vernahm.
    Bisher hatte der Wächter davon nichts gehört. Diesmal nahm er das Geräusch wahr.
    In seinem Magen verspürte er ein schmerzhaftes Kneifen, als hätte er eine Handvoll Splitter
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